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F. C. GRÖGER
PFLEGETOCHTER DES KÜNSTLERS
Hamburg, Kunsthalle
Freilich bleibt dem nicht ganz unwidersprochen;
in der Kotzebueschen Zeitschrift „Der Frey-
müthige" heißt es einmal 1804 über das Porträt:
„wir verlangen durchaus treue Natur, Wirklichkeit
und Wahrheit, und nur diese haben Interesse
für uns. Der Porträtmaler ist als solcher keineswegs
Dichter, sondern Gehilfe des Biographen.
Gleichwie dieser den Charakter seines Helden
durchaus treu und wahr zeichnen soll, und pflichtwidrig
handelt, wenn er die Untugenden desselben
verschweigt oder bemäntelt, ebenso verdient der
Porträtmaler auch nur dann Beifall, wenn er die
äußere Gestalt seines Originals mit der Treue
eines Spiegels nachbildet."
Eine solche Stellungnahme scheint immerhin
selten zu sein, und es ist gewiß kein Zufall, daß
sie gerade in Berlin erfolgt, wo Schadow gegenüber
Goethe die Berechtigung einer individuellen
und charakteristischen Kunst vertritt. Inzwischen
ließ sich freilich die gleichzeitige malerische
Praxis durch solche theoretischen Schwierigkeiten
nicht beirren. Hatte ein Mann wie La
Font de Saint Yenne 1747 nur das repräsentative
Bildnis von „personnages illustres", nicht von
alltäglichem Aussehen gelten lassen, so nahm die
Pflege des Bildnisses in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts in Frankreich einen ungeheuren
L mfang an. Man kann dies durch die Kataloge der
regelmäßigen Ausstellungen zahlenmäßig nachweisen
; im Pariser Salon waren in den Jahren
von 1791 bis 1812 etwa 7000 Bildnisse ausgestellt
, und von hier aus begreift man auch den
Widerstand, den eine hemmungslose Porträtkunst
von zweifellos nicht immer hochstehender
Qualität finden mußte. Der gleichen Grundstimmung
dankt dann auch das Aufkommen und die
Vorliebe für die Silhouette ihre weite Verbreitung,
über die sich Herder an einer wenig bekannten
Stelle mit Erbitterung ausspricht: .... „nächst
Gott und dem Gelde ist im letzten Lustrum unseres
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