Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 53. Band.1926
Seite: 362
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WILHELM FEHRLE

bische, formale Klarheit. Wer eine Figur Fehries
von einer Seite sieht, glaubt sie zugleich von
allen Seiten zu sehen. So „umsichtig" und gewissenhaft
arbeitet seine Phantasie, daß eine
Ansicht zugleich alle anderen enthält. Seine
Figuren zwingen daher auch den Beschauer
nicht, eine Hauptansicht aufzusuchen, und so
erwecken sie auch nicht den Eindruck, als ob
sie raumbildend an einem bestimmten Platz
stehen müßten. Sie sind nicht dekorativ. Sie
wollen nicht dienen; aber sie wollen auch nicht
herrschen. Sie wollen einfach da sein, sich selbst

genug in ihrer runden Geschlossenheit
. Man kann sie sich in
jedem edlen Raum denken, in
dem ihr Maßstab sich behaupten
kann; am liebsten aber im Freien,
in einem Garten womöglich,
unter Bäumen und blauem Himmel
: da findet ihre substanzielle
Lebensfülle die richtige Resonanz
. Fehrle hat auch ausgesprochen
dekorative Arbeiten.
Und es ist bezeichnend, daß er
da einen anderen, leichteren Ton
anschlägt. Sein Schaffen wird
nun zu einem anmutsvollen Spiel;
der Umriß der Figuren wird bewegter
, aber zugleich in einer
Hauptansicht eingefangen, die
Formen werden summarisch zusammengefaßt
. .. Die Motive, die
Fehrle anwendet (meist Haltungsmotive
, selten Bewegungsmotive)
sind überaus einfach; aber es ist
erworbeneEinfachheit. Diese Motive
sind in vielen Skizzen wohl
erwogen und solange durchgearbeitet
, bis sie imstande sind, die
Entwicklung der ganzen Figur bis
in die kleinsten Einzelheiten zu
bestimmen. Auffallend ist, daß
in Fehries Werk fast nur weibliche
Akte vorkommen. Sieht
man genauer zu, so findet man
freilich, daß das bei anderen
Plastikern unserer Zeit auch so
ist. Jedenfalls überwiegt der
weibliche Akt heute bei weitem.
Das ist nicht nur Erotik. Es ist
noch etwas anderes. Im männlichen
Körper ist nun einmal die
Dualität Natur-Geist in einem
Gegensatz zwischen Körper und Gesicht ausgedrückt
. Dieser Gegensatz kann künstlerisch nur
überwunden werden durch ein Ethos, durch eine
sittliche Idee. Eine solche Idee aber, als reale
Lebensmacht, hat unsere Zeit nicht. Darum
kann die Plastik, gerade wenn sie ehrlich ist, den
Mann als Aktfigur nicht darstellen aus dem
Geiste der Zeit heraus. Haller ist es gelegentlich
geglückt, einen männlichen Akt zu schaffen, der
ein neues Ethos prophetisch darstellt. Im übrigen
aber ist der männliche Akt in der Plastik heute
überwiegend eine artistische Angelegenheit.

HALBFIGUR

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