http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0478
Selbstbildnis des Frankfurter Museums (gemalt
1921) ausschaut, hat er dieses Ziel weiter ver-
folgt.
Auch die Fassadenbemalung der Basler Börse
von 1923 ist ein Fortschritt, obwohl da der Eindruck
leidet unter dem einstweiligen Mangel an
Patina, die Pellegrini vorausberechnend in die
künftige Wirkung seiner starken Farben einbezog
. Wie würden andere sich quälen mit einer
so unmöglichen, von vier großen Fenstern zerschnittenen
Außenwand! Und wie zwanglos, ungekünstelt
, selbstverständlich steht dieses Ergebnis
vor unseren Augen; und wie neu! (Abb.
S. 388). Brot und Kohle sind versinnbildet in ein
paar Schnitterinnen und Grubenarbeitern; Merkur
schwebt weltumspannend in der Mitte. Und
schmals te Sei tenstreifen genügen, die großenFor-
men eines Seglers und eines Dampfschiffriesen
anzubringen. — In dieser Stadt hat einmal Holbein
in spielerischem Naturalismus Fassaden dekoriert
, ganz nahe bei der neuen Börse. Nun
kommt ein Halbromane und redet deutsch und
vollendet, was Hans v. Marees gelehrt und ersehnt
hat. Die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts
wird hier respektvoll hall machen müssen.
Und neben diesen monumentalen Werken, zu
denen besonders auch ein ausgemalter Speisesaal
im kunstsinnigen Hause des Basler Konsuls
Schwarz — von Spreckelsen gehört, sind viele
liebenswürdige kleine Dinge entstanden, duftige
Blumenstilleben von feinster Empfindung und
Landschaftsbilder (Abb. S. 390), die Pellegrini
auf seinen Reisen nach Skandinavien und hinunter
bis Sizilien schuf. Da kommt der Naturfreund
und der Mensch von weitestem Blick zu
Worte, stets die Eigenart eines jeden neuen Gegenstandes
erfassend, ohne beim Unwesentlichen
ungebührlich zu verweilen. Das Auge, das sich
so entschieden auf die große Wand eingestellt
hat, bedarf der Erholung; es sieht sich satt an
dem winzigen Kosmos blühender Blumen und
Gräser und berauscht sich an der kurzen Glut
der Sonne oder dem Flug der Wolken über einer
Landschaft. Aber jede dieser schönen Impressionen
ist nur ein Atemholen vor den großen
Werken.
Gerade in den letzten Monaten hat Pellegrini
ein neues fertiggestellt: ein Fresko im Basler
Strafgerichtssaal, das er ebenso wie die Börse
als Sieger im Wettbewerb des Staatlichen Kunstkredits
in Auftrag bekam (Abb. S. 391). Die ganze
Breite der Kopf wand stand dem Künstler zur
Verfügung, nur in derMitte vomTürsturz unterbrochen
. Dem Halbrund des untenstehenden
Richtertisches setzt Pellegrini ein Halbrund der
Komposition entgegen, die Bewegung im Saal
gleichsam aufgreifend und parierend. Für die
Stimmung der Landschaft wählt er das kalte
Kleid des Winters, um den reuigen Sünder, der
rechts auf dem Baumstamm sitzt, in seiner ganzen
Erbärmlichkeit und Verlassenheit zu kennzeichnen
. Da naht von links die allegorische Erscheinung
des Trösters mit der edlen Geste des
Verstehenden und Verzeihenden. Und als bindendes
Glied, das Kommen des Trösters kündend
, springt ein Hund zu dem einsamen Mann
empor. — Der Geist des Bildes ist ergreifend
und groß. Vor dieser Wand sollen in Zukunft
Menschen abgeurteilt werden, die sich vom rechten
Weg verlaufen hatten. Den Eindruck dieses
Bildes werden sie mit in ihre Zelle nehmen. Nicht
nur als Maler, auch als Mensch hat Pellegrini
sich bewährt.
Die Schweizer haben dem Künstler zwar wiederholt
Verständnis bewiesen, indem sie ihm das
seltene Glück gönnten, großeWände zu bemalen.
Doch eines Tages wird auch Basel zu eng werden
für Pellegrini. Denn sein Werk gehört der
Welt.
Es sollte wieder werden wie im Mittelalter, da
man Meister von Ort zu Ort berief, wo eben
große Aufgaben erwuchsen. Wandmalerei von
dieser monumentalen Gattung hat Ewigkeitswert
und kennt keine nationale Grenze. Hans F. Secker
392
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0478