Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 54. Band.1926
Seite: 290
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ALTE UND NEUE SCHMIEDEKUNST

Obwohl das Eisen schon in den uns erhaltenen
ältesten Schriftqueilen, so in der
Bibel (Genesis) und im Homer Erwähnung
findet, begann seine künstlerische Formgebimg
doch erst im 11. Jahrhundert n. Chr. Denn die
bis dahin hergestellten Lanzenspitzen, Schwer
ter, Beile usw. weisen nur die einfachsten Zweckformen
auf. Die ältesten künstlerischen Schmiedearbeiten
sind Türbeschläge und Gitter alter
Kirchen, namentlich vielfach verzweigte Türbänder
, die in flach geschmiedeten Blättern,
Blumen, Tierköpfen endigen. Sie dienen zugleich
dem Zwecke, die einzelnen, senkrecht
oder auch schräg gestellten Bretter der Türen
zusammenzuhalten und gegen gewaltsame Zerstörung
zu schützen. Manche dieser Türbeschläge
aus dem 12. bis 15. Jahrhundert greifen
in rankenförmigen Verschlingungen über die
ganze Türfläche, so daß sie zur Armierung der
mehr oder minder kräftig konstruierten Bohlentür
werden. Ein glänzendes Beispiel künstlerischer
Schmiedearbeiten bieten die Türbänder
von Notre Dame in Paris, die aus einem üppigen
verschlungenen Blattwerk und Tierfiguren
bestehen. Man findet aber auch unter den ganz
schlicht gehaltenen Türbändern, die deutlicher
ihre Zweckbestimmung verraten, Stücke von
großer Schönheil.

Die Gitter zeigen größtenteils einfache Motive,
namentlich Blatt- und Rankenformen. Diese
mittelalterlichen Schmiedearbeiten wurden vielfach
in neuerer Zeit, als man die Schmiedekunst
wieder zu beleben begann, ziemlich getreu
nachgeahmt, allerdings unter fleißiger Verwen-
dung von Maschinen, deren Anwendung dadurch
begünstigt wurde, daß gewisse, der Nal indes
Materials angemessene Formen regelmäßig
wiederkehrten. Die Stäbe wurden durch Verdickungen
oder Profilierungen verziert oder
schraubenförmig gedreht, die Endigungen mit
Lanzenspitzen versehen oder spiralförmig zusammengedreht
oder auch zuV oluten und Blattformen
ausgeschmiedet. An den Ubersclmei-
düngen, d. h. den Kreuzungen der Stäbe, wurden
kelchförmige Rosetten aufgelegt oder Blätter
angeschmiedet, während Bleche, die in das
Gitterwerk eingefügt oder auf dieses aufgelegt

wurden, zu Karluschen, Wappen, Tierköpfen
usw. getrieben wurden. Alle diese Formen und
Dekorationsmethoden waren schon im Mittelalter
bekannt.

Das Schönste, was uns die alten Meister des
Schmiedeeisens - - die wir nicht genug bewundern
können, da sie doch alles aus freier Hand
schmiedeten - - überliefert haben, sind aber die
Turbeschläge, also, nächst den Türbändern, die
Sehlüsselschilder, Türgriffe und Türklopfer.
Das Schloß wurde z. B. in der gotischen Zeit
außen durch ein breites Sclilüsselschild betont,
dessen Motive gleichfalls der Pflanzenwelt entlehnt
waren. Sehr phantastisch wurden häufig
die Türklopfer ausgebildet, und man findet noch
heute an alten Patrizierhäusern in Köln, Nürnberg
, Rothenburg, Frankfurt, Lübeck usw. Türklopfer
, die ebenso von der reichen Phantasie
wie von der außerordentlichen Kunstfertigkeit
der alten Meister zeugen. Ursprünglich waren
die Türklopfer eiserne Hämmer, später Ringe
aus Eisen oder Bronze, die gegen einen in der
Tür befestigten kräftigen Metallknopf schlugen.
In der gotischen Zeit wurden diese Grundformen
reich verziert, in der Renaissancezeit mit
figürlichen Darstellungen geschmückt, bisweilen
auch noch zu Fackelhaltern ausgebildet.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war die Verwendung
des Eisens zu dekorativen Zwecken
schon sehr verbreitet, und neben dem Kirchenbau
bot nun auch die profane Baukunst den
Kunstschmieden ein weites Feld der Betätigung
. Wir besitzen aus der Zeit des 15. und
16. Jahrhunderts Gitter, Laternen, Wasserspeier
, Wetterfahnen, Treppengeländer in den
reichsten Renaissanceformen, lauter Gegenstände
, wie sie auch heute mit Vorliebe aus
Eisen geschmiedet werden.
Den Höhepunkt der Entwicklung erreichte
die Kunstschmiedetechnik in der Barock- und
Rokokoepoche. Diese Zeit, welche die größten
Anforderungen an die Handwerker stellte, entwickelte
die Fertigkeiten der Schmiede in heute
ganz unbekannter\\ eise. Das Eisen erwies sich
als so bildungsfähig, daß es zur Herstellung
aller jener regellosen Schnörkel, wie sie die
Laune der gepuderten Herren jener Zeit ver-

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