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ARTUR NTKODEM.
WALLFAHRT
nungen und Richtungen von Norden und Süden.
Diese weit offene Art, dieses stark betonte Inter-
pretentum hat freilich auch seine bedenklichen
Schattenseiten. Sowohl in Tirol als in der Schweiz,
die im Charakter des Bergvolkes dem Tirolerland
ähnlich ist, prägt sich nationale Eigenart in der
Kunst nicht markant aus. Vor russischen, schwe-
dischen, holländischen, spanischen Gemälden ist
man keinen Augenblick im Zweifel über ihre
Provenienz. Anders vor den Bildern der Tiroler
Maler: dies könnte in München, jenes in Berlin,
ein drittes am Rhein gemalt sein. Es ist das Charakteristikum
des künstlerischen Grenzvolkes.
Heinrich Hammer-Innsbruck schreibt in einem
Vorwort zum Katalog einer Ausstellung neuer
tirolischer Kunst, daß gebirgsländische Kunst
eine gewisse Tendenz zum Zeichnerischen habe,
daß sie zur Ausprägung von Einie und Form
und zum gedanklichen Wesen neige. Er denkt
dabei wohl ganz besonders an Egger-Lienz.
Aber so sicher Egger-Lienz unter den heutigen
Malern Tirols die interessanteste künstlerische
Persönlichkeit ist, ebenso sicher ist sein Schuleinfluß
nicht eben sonderlich entscheidend. Er
ist ein Exzeptioneller; ihm malt man nicht nach;
jeder beackert seine eigene Scholle.
Die große Ausstellung „Tiroler Künstler der
Gegenwart", die vom Herbst 1925 bis zum Sommer
1926 durch Deutschland lief, vor allem im
Rheinland und in Westfalen großes Aufsehen
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