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die farbenstarken, in der Stoff wähl, im Bildausschnitt
und im Stimmungsgehalt ungewöhnlichen
Landschaften Hartigs über die rein persönliche
Bedeutung, die sie durch die Leistung des
Künstlers haben, in entwicklungsgeschichtliche
Zusammenhänge hinein. Hartig, heute in der
zweiten Hälfte der dreißiger Jahre stehend, Schüler
derM eimarer Akademie, wo im Nachhall der
Preller-Zeit immer die Vorliebe für Italien und
das Heroische spukte, ist seiner Herkunft und
Lebenshaltung nach ein richtiger „mitteleuropäischer
Mensch": er ist einer Mischung süddeutschen
und norddeutschen Blutes entsprossen, in
Davos geboren, lebt abwechselnd in Aachen und
München, erfuhr starke künstlerische Eindrücke
inItalien, zumalin dessen Süden,in der Umgegend
Sorrents und Positanos, und in Sizilien. Dort ent-
standenseine„südlichenLandschaften". Das Gefühl
für Tiefe und Ferne, also das Perspektivische
, und das Energische, Kompresse des Umrisses
, das seine Landschaftsgegenstände so plastisch
und voluminös erscheinen läßt, erklärt
sich daraus, daß Hartig auch auf dem Gebiete
der Baukunst tätig ist. Das Raumerlebnis ist
daher für ihn etwas Selbstverständliches, es tritt
zu seinem Erlebnis der Atmosphäre und des
Lichtes hinzu.
Heute herrscht in der deutschen Malerei eine andere
Richtung vor. Wie die Neigung zur figürlichen
Darstellung, zum Kompositionellen und
Stofflichen vorschlägt, so verlangt man auf dem
Wege zur „Sachlichkeit", der man die Stimmung
nicht versagt, auch für die Landschaft, „Inhalt".
Und besinnt sich dabei auf Koch und Rottmann,
auf Italien, auf die Linienstrenge und Klassizität
deritalienischenLandschaft, auf die Transparenz
des italienischen Himmels, und findet, daß die
Härte der Farbe, von Italiens Atmosphäre bewirkt
, einem Ideal des heutigen Malens entspricht
. Wolf
DEUTSCH-ROM ISCHE MALEREI 1799—1850
IM KUNSTVEREIN UND MUSEUM DER BILDENDEN KÜNSTE, LEIPZIG
Die Spanne dieser Ausstellung wurde so eng
gefaßt, um das Ganze nur auf die Werke einzustellen
, die aus innerem Erleben hervorgingen
, als die Künstler sich gemeinsam als Träger
einer Kulturmission fühlten: die Schöpfung
einer Einheit von Leben, Weltanschauung und
Kunst für ein aus den Angeln gehobenes Menschentum
. Ob dies Streben sich nun an Antike
oder Raffael und Michelangelo, oder mehr an
dem zarteren Gewächs nationaler Kunst der
Altdeutschen und Vorraffaeliten emporrankte,
oder auf dem Gebiet der Landschaft im Geiste
eines Claude Lorrain und Poussin die Natur
selbst unter Gesetzmäßigkeit zwang, ob die Träger
dieses Strebens sich spalteten:in Klassizisten,
Romantiker, Nazarener, und später gar befehdeten
, im Grunde war ihrer aller Wollen doch
ein romantisches Ideal. Ideale aber haben nur
eine kurze Spanne lebengebärende Kraft, dann
erstarren sie in Dogmen. Dennoch bleibt der
kurzen Zeit ihrer Blüte die Kraft der Entfärbung
von Funken zu ähnlicher Lebenserneuerung
, besonders wenn sie unter der Asche eines
gestürzten Zeitalters glimmen, wie das heute
bei uns der Fall ist. Daß sich gerade Leipzig
die Aufgabe, dies zu erweisen, stellte, erklärt
sich aus der Kunsttradition dieser Stadt, die aus
der Zeit dieses Höhendranges deutscher Kunst
ihre Museumsgründung und ihi-en besten Besitz
herleitet.
In mustergültiger Einteilung und Aufmachung
wird diese Entwicklung dargeboten. Im Eingangssaal
fängt die italienische Ideallandschaft
mit der Versammlung deutscher Ritter unter
einem Riesenbaume von Schinkel, gleich den
Eintretenden als \Vahrzeichen der deutsch-
römischen Verschwislerung mit ihrem romantischen
Zauber ein. Carstens als Pionier der Erneuerung
dominiert hier über die Repräsentanten
der alten Landschaftskunst des 18. Jahrhunderts
Flackert und Mechau; Reinhart und
Koch, sowie Cornelius sind mit Aquarellen,
Zeichnungen und Ölgemälden vertreten, die das
allmähliche Losringen vom Zopf zum neuen
Kunstideal offenbaren, wozu eine Karikaturzeichnung
von J. A. Koch als Darstellung kunstpolitischer
Polemik der Zeit gewissermaßen das
Programm abgibt.
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