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THEO CHAMPION. SOMMERTAG AN DER SEE
Enlwicklung behindert worden ist, noch mehr
nnd mehr umformen und zu einem Eigenen
machen. Ein Bild Champions wie das von dem
Sommerabend am Rhein weist von dem Muster
Rousseaus schon weit weg und erinnert mehr
an Landschaften des späteren Goya als an jenen
Zollbeamten, der in den Höfen der Pariser
Mietskasernen die Geige spielte, wenn er Geld
für Farbe brauchte. Das ist auch eine Stärke
von Champion, daß er über der Zeit schwebt
in seinen Bildern, mögen sie noch so „veristisch"
sein, daß er sich nicht nur mit den Tagesfragen
herumschlägt und auch nicht vor der Uberlieferung
zurückschreckt. Er kennt diese Furcht
vor dem Alter nicht, die unsere neueren Künstler
oft langweilig und unausstehlich macht.
Sicherlich wird dieser Maler des Niederrheins
uns noch viele starke Bilder schenken. In den
eigentümlich von ihm gewählten und gemischten
Farben, die der landläufige Bilderkäufer
unnatürlich und falsch findet, während sie den
ins Bunte Verliebten entzücken: Dies Zinnober
- oder pompejanische Rot und dies Braun
vor allem, das er in allen Tönungen vom tief
dunklen bis zum hellen gelben liebt.
Seine Welt mag nicht groß sein. Es ist einfach
der landschaftliche Rahmen, der ihn umschlingt.
Aber bisherhat er diesem Gürtel der Schöpfung
„corrompue par les hommes", wie ein anderer
Rousseau sich ausgedrückt hat, stets neue Reize
abgelauscht. Mit der Herbheit eines Kaspar
David Friedrich, eines Blechen und anderer
deutscher Landschaftsmeister vor hundert Jahren
rückt er vor die Natur und spiegelt sie, verklärt
und vergeistigt durch sein Wesen, wider.
Und er beweist mit seiner Kunst ein halbes
Jahrhundert nach Spitzweg, dem früheren
Apotheker und späteren „Kunstmaler'1, an den
er im Ausmaß manchmal erinnert, daß auch
neben den Schienenschwellen und den elektrischen
Bogenlampen noch die blaue Blume der
Romantik blühen kann. —
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