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schlechtweg absolut zu gestalten, Symbol zu
prägen. Die zwei Triebkräfte großer menschlicher
Begebenheit, Held und Masse, suchen
und finden in dem Entwurf für ihren monumental
großepischen, heroischen Inhalt plastischen
Ausdruck. Alle Formen sind nur Worte
einer Sprache, nur Mittel zum Zweck; Sinn
und Ziel des Ausdruckes ist der Kampf und
der Ausgleich forttreibender und hemmender
Bewegungskomplexe. Die Heldenidee wirklich
demokratisch zu fassen, ist diesem Bildwerk
vorbehalten geblieben. Selbst Ferdinand Hodler,
der eigentlich demokratische Monumental-
kiinstler der Neuzeit, hat eine aristokratische
Konzeption der Heldengestalt. Sowohl seinTell,
wie der Reformationsredner des Hannoveraner
Freskos, sind einsame Auslesegestalten, die schon
im Gegensatz zu jener Masse stehen, die sie
antreiben und anfeuern. Stursas 2izka ist selber
Masse. Eingekeilt in das Reihenpaar der schilderhebenden
Kämpfer ist die gebildete und gestaltete
Masse ganz zusammenhängend, ganz
homogen. Der auf seinem Rosse ragende Führer
und das Roß selber sind nur Spitzen eines
Sturmbockes, der sich hineinbohrt in einen unsichtbaren
Widerstand. Der Führer ist ebenso
Bestandteil dieser Masse, wie die erhobenen
Schilde in ihrer erhabenen Parallelität. Ja, der
erschütterndste Akzent dieses Werkes besteht
eben in der unentschiedenen Spannung und
Gegenspannung, die die Frage in Schwebe hält,
ob der Führer durch das festgestemmte Pferd
hier nicht schon zur hemmenden Gewalt geworden
, die die fortstürmenden Massen der
Elementarkraft zum Stehen bringen will. Jeder
Führer, der sich voll auswirkt, erlebt diesen tragischen
Augenblick, in dem er die so schwer
in die Bewegung gebrachte träge Masse anhalten
will, die in der Bewegung ebenso dem Trägheitsgesetz
unterlegen ist wie in der Ruhe. Sie
ist nicht leichter zum Stehen zu bringen als
zum Gehen. Das Bisher-und-nicht-weiter ist
der große tragische Augenblick des Volksführers
, an dem die meisten scheitern. Stursas
Werk enthält das Ringen dieses Moments auf
dem Gipfelpunkt, und die Unentschiedenheit
ist hier tiefste künstlerische Weisheit der Gestaltung
, denn mit dem bangen Gefühl der unbegrenzten
Möglichkeit im kommenden Geschehen
entläßt uns das Werk. Hier und jetzt
vollendet sich das Schicksal von Millionen und
der Weg eines Großen. Wer kann sagen, wo
der Treibende und wo der Getriebene?
Dr. Richard Messer
DÜRER UND
Dürer
Ein gut Bild kann außerhalb Fleiß und Mühe
nit gemacht werden. Und ich halts darfür, je
genäuer und geleicher ein Bild den Menschen
ähnlich gemacht würdet, je besser dasselb Werk
sei. Aber Etlich sind einer andern Meinung,
reden darvon, wie die Menschen sollten sein.
Solches will ich mit ihnen nit kriegen (streiten
). Ich halt aber in Solchem die Natur für
Meister und der Menschen Wahn für Irrsal.
Einmal hat der Schopfer die Menschen gemacht
, wie sie müssen sein, und ich halt, daß
die recht Wolgestaltund Hübschheit unter dem
Haufen aller Menschen begriffen sei. Welcher
das Recht herausziehen kann, dem will ich mehr
folgen dann dem, der ein neu erdichtte Mass,
der die Menschen kein Theil gehabt haben,
machen will.
DELACROIX
D elacroix
In der Malerei und besonders im Porträt spricht
der Geist zum Geiste, nicht das Wissen zum
Wessen. Diese Bemerkung spricht das Urteil
über die Pedanterie des Handwerkes. Ich habe
mir hundertmal gesagt, daß die Malerei, d. h.
die materielle Malerei, nur der Vorwand ist, nur
die Brücke zwischen dem Geist des Malers und
dem des Beschauers. Die Kunst besteht nicht
in der kalten Nichtigkeit; das Wichtige ist, daß
man etwas zum Ausdruck bringt. Die sogenannte
Gewissenhaftigkeit der meisten Maler
ist nichts als die Kunst, zu langweilen. Diese
Leute würden womöglich die Rückseite ihrer
Bilder mit derselben Sorgfalt bearbeiten. Es
wäre interessant, alles Falsche aufzuzählen,
aus dem sich das Wahre zusammensetzen
kann.
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