http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_55_1927/0416
FERDINAND KITT. BEWEINUNG CHRISTI
Glaspalast München
Neben den Franzosen wirkt er kühl, männlich
nnd herb. Er verzichtet auf die heitere Musikalität
der spielenden Farben und malt in einem
strengen tonigen Grau, dessen vornehme Gedämpftheit
den Genuß der Farbs timmung gleichsam
in einer sublimierten Sphäre erst zuläßt.
Und wie er Franz Hals, Munkacsy, Israels und
Degas in sich aufnahm und verarbeitete, so geht
auch die märkische Landschaft und Luft zu ihm
ein, um destilliert in einer neuen malerischen
Entfaltung ein kultiviertes und doch sprudelndes
Dasein zu finden. Hier sind Persönlichkeit,
Bildung im Goetheschen Sinne und der Boden
des eigenen Landes zusammengeschlossen worden
in einem Werk, das mehr gedämpft als
elementar, mehr kühl als leidenschaftlich, klug,
besonnen und durchaus nicht unbewußt ein
springlebendiges und doch streng gefesseltes
Gesicht voll schöner Souveränität empfing.
Und so wie die Symphonie europäischer Malerei
der Jahrhundertwende von Liebermann
einen berlinischen und wenn man will, auch
deutschen Akkord erhielt, so empfing mehr
noch die alte Berliner Tradition, die Liebermann
über Krüger und Menzel hinaus fortsetzte
, durch den Künstler ein weiteres und
europäisches, ein junges und ein zukunftsträchtiges
Gesicht. Bruno E. Werner
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