http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_59_1929/0147
DAS MODERNE FRAUENBILDNIS
ZUM WETTBEWERB DES „REICHSVERBANDS BILDENDER KÜNSTLER"
Im März überraschte ein Kunstfreund, Herr
Georg Schicht, die Kunstwelt mit der Auslobung
eines Preises von M. lOOOO für das „bestgemalte
Frauenbildnis des Jahres 1928". Das
Eigentumsrecht an dem preisgekrönten Bild beanspruchte
er nicht, sondern wollte nur die Leistung
des Künstlers belohnt sehen. Der „Reichsverband
bildender Künstler" hat diesen Wettbewerb
unter allen in Deutschland lebenden
Malern ausgeschrieben, und am 1. Oktober, also
ein halbes Jahr nach
der Ausschreibung,
wurden 365 Werke
angemeldet. Ein Preisgericht
, dem Professor
Fritz Erler, Leo von
König(später indessen
Vertretung Max Pechstein
), Fritz Reusing,
Hans Baluschek, Dr.
Max Osborn, Dr. Wilhelm
Hausenstein und,
als Vertreter des Stifters
, Hanns Kroplf angehörten
, hat aus dieser
Menge endlich 26 Porträts
in die engere Wahl
gestellt, die bei Fritz
Gurlitt in Berlin und
dann in anderen großen
Städten des Reichs als
geschlossene Ausstellung
vorgeführt werden
. Der Preis wurde,
nach sehr eingehender
Beratung aber endlich
doch einstimmig dem
von Willy Jäckel eingereichten
Bild (Abb.
auf S. 111), zugesprochen
, weil in ihm „ein
ausgeprägter Typus
der modernenFrau mit
allen künstlerischen
Mitteln am stärksten
zumAusdruck gekommen
sei".
Die Kritik der Bedenklichen, die gleich bei der
Ausschreibung geäußert wurde, die Entstehung
eines überragenden Meisterwerks, auf die der
Preisrichter hinziele, lasse sich nicht von außen
her beeinflussen, spricht zwar etwas Selbstverständliches
aus, trifft aber insofern daneben, als
auf ein solches Wunder wohl nicht gerechnet,
vielmehr mit einem entschlossenen Querschnitt
durch die Gegenwart eine Belebung der Porträtkunst
überhaupt und für die Zukunft beabsich-
WILLY J A E C K E L
Mit dem Preis von 10000 M. ausgezeichnet
111
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_59_1929/0147