Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 59. Band.1929
Seite: 150
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_59_1929/0194
GRAF LEOPOLD VON KALCKREUTHf

Leopold Graf von Kalckreuth ist am 1. Dezember
1928 auf seinem Gute Eddelsen bei
Hittfeld (Harburg) im Alter von 73 Jahren gestorben
.

Ein Künstler und ein Edelmann starb. Dem
Alter nicht mehr unverpflichtet, dem Geiste
nach immer geöffnet allem, was Begabung
verhieß unter den Jungen.

Lichtwark hatte ihn hergebracht nach Hamburg,
der als Sohn eines bekannten Landschaftsmalers,
des Grafen Stanislaus Kalckreuth, am 15. Mai
1855 geboren war in Dusseldorf, das zu seiner
Zeit anfing, für den künstlerischen Nachwuchs
Deutschlands verhängnisvoll zu werden. Daß
er diesen ersten, schlimmen Verführungen
einer blutleer ausgepreßten Akademie entging,
verdankt er seinem menschlichen Charakter,
der zuverlässig, solide, unbeirrbar war. So auch
geriet seine Kunst: solide, zuverlässig, ein standhafter
Ruhm gründlichen Handwerks. Wie der
Mensch, war sie ohne Aspirationen, die nicht
in seiner Natur lagen, aber voll früh erreichter
Reife des Könnens und getragen bis ans Ende
von der Dauerhaftigkeit eines Schaffens, über
dem das Gebot künstlerischer Wahrheit und
Aufrichtigkeit stand. Auch in der Malerei hat
dieser echte Grandseigneur nichts gesagt, was
unverantwortlich wäre, was nach Halbheit hätte
schmecken können. Man sehe die Bildnisse an,
die er gemalt. Den reckenhaften Justus Brinck-
mann, der seine Japandinge, der Stolz des hamburgischen
Museums fast zärtlich lieben und
kosen konnte, den Dr. Chrysander, der Händel
wieder entdeckte. Man sehe
auch die Frauen, die er gestaltete
, die herrliche alte
Frau Marie Zacharias in
der Hamburger Kunsthalle,
seine Gattin und auch das
schlichte, starke Bild „Sommer
" in Bremen, da eine
Bäuerin mit der Sichel in
der Hand zur Arbeit schreitet
, wie wenn ein schwergeprüftes
Menschenkind einem
unvermeidlichen Schicksal
nicht entgehen könnte. Ähnliche
Kompositionen gedanklichen
Inhalts wie etwa
der „Weg ins Leben" im

Breslauer Museum näherten Kalckreuth damals
der leicht monumental angehauchten „Armeleutemalerei
", die Liebermann, Klinger,Thoma
um 1890 pflegten. Der Lichtwark endlich, am
Ehrenplatz des Ehrensaales unserer Hamburger
Kunsthalle hängend: sie alle sind verkörpertes
Menschentum, Männer und Frauen einer gar
nicht lange vergangenen Zeit, die echt und unecht
noch zu unterscheiden wußten, ein Abstand
zu gegenwärtiger Geckenhaftigkeit mondänen
Gebarens, der etwas Volkhaftes hat.
Ehe er nach Hamburg kam, arbeitete er in
Weimar 1885—1890, in Karlsruhe 1895 bis
1899, in Stuttgart 1900—1906. Von 1900 bis
1905 hielt Schlesien, woher sein Geschlecht
stammte, ihn als den Seinen fest. In Paris
und Flolland aber sog er die Malerei ein und
widerlegte auch zu seinem unwidersprech-
lichen Teil das Ammenmärchen kleiner Leute,
französische Kunst verderbe den echt „teut-
schen" Künstler.

Ein deutscher Künstler und ein hamburgischer
war Kalckreuth. So dürften wir heute sagen,
denn dies ist das Merkwürdige: An ihm hat Hamburg
eine Seite besonders entwickeln können,
die seine eigenste war und vielleicht in anderer
Umgebung nicht eben diese starke persönliche
Ausbildung erfahren hätte: dasPatrizische seiner
Malerei und ihre naturhafte Treue. Vor solchen
Werten erblassen Mode- und Stilprobleme.
Kalckreuth erlebte den deutschen Realismus
und Impressionismus. Er ist nichts von beidem
im Sinne der Schule, der Mache, der Schablone

geworden. Unter allen Malern
, die Lichtwark mit ihm
damals herrief, ist keiner, der
diese Stadt und diese Landschaft
so sicher und artverwandt
, außer Thomas
Herbst, aus ihrem eigensten
^Vesen erfaßt hätte. Durch
ihn kennen wir nun den
malerischen Typus Hamburg
. Kalckreuth war zuletzt
sein künstlerischer
Repräsentant. Er war mehr
als das.

Heute aber beklagen wir den
Toten, dessen Werk leben

wird. Dr. Heinrich EM

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