http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_59_1929/0341
JOSEF EBER Z, WINTERTAG
Neue Städtische Galerie, München
FRÜHJAHR SAUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION
Die Berliner Secession hat in ihrem hellen von
Leo Nachtlicht um- und angebauten neuen Haus
ihre 56. Jahresausstellung eröffnet. Einige hundert
Werke der Malerei und Plastik geben ein
buntes Bild des gegenwärtigen Kunstschaffens.
Die Ausstellung bietet keinen größeren und keinen
geringeren Anreiz wie die anderen Unternehmungen
dieser Art, die man alljährlich in
Berlin zu sehen bekommt.
Eigentlich aber bedauert man dies. Die Berliner
Secession war — wie auch die Münchner — einmal
ein Sturmtrupp, der seine Kraft wie seine
Daseinsberechtigung aus der gesunden Opposition
der Jungen gegen die Alten zog. Die Kunst steht
heute in einer schweren Situation. Es gibt nicht
mehr, wie noch vor 10—15 Jahren, eine geschlossene
Front junger Künstler. Die abstrakte Malerei
beispielsweise ist ein tastendes Unterfangen wie
viele andere auch. Man kann kaum glauben, daß
ihr etwa die Zukunft gehört. Es gibt heute keinen
geschlossenen Gemeinschaftswillen, charakteristisch
für eine Zeit, die überall nach neuer
Gemeinschaft schreit. Es gibt heute nur einzelne
wenige schöpferische Persönlichkeiten, die auf
eigenen Wegen marschieren, wohin ihnen keiner
folgen kann. Das ist keine glückliche Situation
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