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JOSEF HOFFMANN. WOHNUNG DR. K. REINHOLD. KAMINECKE IM HERRENZIMMER
EINE NEUE ARBEIT VON PROF. JOSEF HOFFMANN, WIEN
Der Mann, dessen Gehirn einem elektrischen
Schaltwerk gleicht, der sich unbeeinflußt von
irgendwelchen Gefühlen in seinen Arbeiten nur
vom Verstand leiten läßt, der Mann des Erfolges
ist mehr denn je das Jdeal unserer Zeit. So sehr
wir nun bestrebt sind, ein solches mit der Präzision
einer Maschine arbeitendes Gehirn durch
zielbewußte Übung zu erwerben, so sehr müssen
wir bedacht sein, unser Menschentum durch
Einseitigkeit nicht verkümmern zu lassen.
Das Heim ist der Ort unserer inneren Erneuerung
, der Ort, wo wir den Hebel umstellen,
um ganz unserm Ich zu leben, der Speicher,
der uns durch die Erfüllung des Reinmenschlichen
die Kraft zu Bändigung und Zucht gibt.
Erst in der Erfüllung beider Forderungen, der
Rationalisierung unserer eigenen Arbeit, wie der
Entwicklung unserer Seelenkräfte, erreichen
wir in antithetischer Steigerung Selbstkultur.
Wir verlangen von unserem Heim nicht nur,
daß es Ausdruck unserer seelischen Kultur sei,
sondern, daß es — stärker als wir selbst — veredelnd
auf uns einwirke. Das Heim als Abbild
eines vollkommenen Lebens, als „Kunstwerk",
als gewachsene Einheit von geistiger Schlagkraft,
nicht zu lustvoller Betrachtung im Sinn ästhe-
tisierender Dämmerseelen des fin de siecle,
sondern als Kraftquelle innerer Hebung und
Zucht, ist die Forderung unserer Zeit. Der Umgang
mit edlen Dingen macht selbst edel. Es
ist nicht notwendig, innen zu beginnen, auch
von außen nach innen können wir wirken, wie
die Griechen bewiesen haben.
Ausdruck einer letzten Selbstzucht sind alle
Arbeiten von Josef Hoffmann. Immer hat man
den Eindruck, daß er unter hundert Einfällen
gerade nur den einen, besten verwendet, daß er
der Phantasie die Zügel anlegt und ihr nicht,
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