http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_60_1929/0119
Boten diese Räume den Architekten die Möglichkeit
, kultivierten Wohnbedürfnissen in dem
erweiterten Rahmen eines Klubheims und
gesellschaftlicher Veranstaltungen gerecht zu
werden, so gaben die Weinstuben „St. Petrus"
im Obergeschoß des die platzartige Straßenerweiterung
beherrschenden Giebelbaues mit
ihren Nebenzimmern reichliche Gelegenheit zu
künstlerischen Variationen, in denen auch dort
eine überzeugende Behaglichkeit voll vornehmer
Eleganz geschaffen wurde, wo mit den
W7ünschen einer größeren Allgemeinheit zu
rechnen war.
Der Hauptsaal greift hoch hinein in den Dachstuhl
, dessen dunkles Gebälk die Decke teilt.
Im Luftraum des sich dadurch ergebenden trapezförmigen
Querschnitts hängen Kopien alter
bremischer Schiffsmodelle und Lichtträger mit
Lampen und Laternen. Die Raumslimmung
erfährt durch die Kachelverkleidung der Wände
eine außerordentlich reizvolle Verstärkung.
Blau und violett auf weißem Grunde, von Delf-
ter Qualität, aber in der Zeichnung — auch in
den Einzelheiten Entwurf von Runge & Scot-
land —- ganz frei und trotz der Schlichtheit
der Motive von entzückendem Reichtum. Als
Gegenspiel Einsätze von buntem Glas von Georg
K. Rohde, Bremen, die in der Glasmalerei
seiner Giebelfenster zu überzeugender Schönheit
werden. Leider hat der trotz seiner einladenden
Stimmung sehr persönlich wirkende
Raum durch spätere Änderungen, die nicht
unter dem Einfluß der Architekten Runge &
Scotland standen, viel von seinem Originalcharakter
verloren.
In den an das Hauptrestaurant anschließenden
Nebenzimmern erfährt die Grundstimmung
eine ungezwungene Erweiterung: in dem anheimelnden
„Priölken" mit kleingeteilter buntgeschnittener
, in der Lederstube mit glatter
Lederbespannung, während in der etwas abseits
liegenden „Bilderstube" die bunten Bildstöcke
des feinsinnigen Bremer Malers Schulz-Walbaum
den Raumcharakter bestimmen, gestört
allerdings durch eine nachträgliche Wandvergoldung
, die weder von den Architekten noch
vom Künstler gewünscht war.
Neben den Garderoben, in deren Vorraum die
Ausstattung dieses Gebäudeteils in vornehmer
Marmormosaik-Arbeit ausklingt, sorgt eine
Treppe für die Verbindung mit dem Restaurant
im Erdgeschoß, eine Rundtreppe für den unmittelbaren
Ausgang zur Straße.
Die schmale Zunge, mit der der nördliche Teil
des Gebäudetraktes an die Straße „Hinterm
Schütting" heranreicht, ist über den Läden des
Erdgeschosses zum Teil als Raum für ein kleines
Museum ausgenutzt. Das völlig in den hell getönten
Putzflächen liegende Dachgebälk, wegen
seiner windschiefen Formen und steigenden
Firste schwierig zu verzimmern, und die gedrechselten
Holzbeleuchtungen zeigen ein nicht
mehr häufig gesehenes handwerkliches Eingehen
, das für die Sammlung vorgeschichtlicher
Funde und bäuerlichen Kunstgewerbes
einen vortrefflichen Rahmen gibt.
Die außerordentlich mannigfaltigen Zweckbestimmungen
der vielen Räume, häufiger Wechsel
des Bauprogrammes noch während der Ausführung
und die verzettelte Grundstückform
mit ungünstigen Lichtverhältnissen stellten an
die Elastizität der Architekten hohe Ansprüche.
Es bedurfte feiner Abwägungen und geschickter
praktischer Einstellungen und noch mehr: einer
bis ins letzte gehenden, von allen Schlacken
der Eitelkeit freien Liebe, die überall warm
herausstrablt und zeigt, wie die Schöpfer ihrem
Werk verbunden waren.
Die schönen Beleuchtungskörper des ganzen
Gebäudezuges haben in Heft 7 (April) des Jahrganges
1927/28 bereits ihre besondere Würdigung
erfahren. Regierungsbaumeister Robert Kain
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