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ARCH. PH. SGHAEFER, HAMBURG. WOHNHALLE
DER STREIT UM DAS PANTHEON
Der erste große geschlossene Innenraum der
Baugeschichte ist das Pantheon in Rom. Die
Vorhalle stellt bekanntlich einen Uberrest von
dem im ersten Jahrhundert nach Christus abgebrannten
Bau dar; das jetzige Kuppelgebäude
ließ Hadrian ums Jahr 130 aufführen. Das
Merkwürdige ist nun, daß der Baumeister dieser
„gewaltigsten, noch unerreichten Leistung" der
römischen Architektur höchstwahrscheinlich ein
Orientale, nämlich Apollodoros von Damaskos,
war, und daß nachweislich auch orientalische
Gottheiten wie Isis und Mithras im Pantheon
verehrt wurden. Diese ungewöhnlichen Tatsachen
haben in der Kunst- und Kulturgeschichte
zu den seltsamsten Auslegungen und Widersprüchen
verleitet, an die wir hier besonders
deshalb erinnern wollen, weil sie nicht so sehr
von beschränkt bauhistorischem wie allgemein
künstlerisch kulturellem Interesse sind.
Die herkömmliche Einordnung des Pantheons
in die römische Bauentwicklung etwa zwischen
den Rundtempel der Vesta oder Minerva Me-
dica und den Jupitertempel in Spalato kann
nicht befriedigen. Ebensowenig aufschlußreich
und überzeugend ist die Ausdeutung spätrömischer
Architektur als einer kubisch stofflichen
Raumkunst bei Alois Riegl. Raum und Stoff
sind ästhetisch Gegensätze. Was soll man sich
darunter vorstellen, wenn Riegl im Pantheon
ein „taktisches Flächenbild" sieht, das jedoch
mit ganz anderen Mitteln wie bei den Ägyptern
oder klassischen Griechen, nämlich mit tiefen-
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