Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 60. Band.1929
Seite: 293
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BRUNOMAUDER. BEMALTE GLÄSER. AUS F.: S T A AT L. F A G H S G HU L E Z WIE S E L

diese identifiziert das Geistige mit der Bildung
und Bildung mit W issen, wozu bemerkt werden
muß, daß dies Wissen nur eine Summe fertig
übernommener Erkenntnisse über Vergangenes
ist. Es darf darum auch nicht wundernehmen
, daß sich das Wesen der Masse im
Geistigen so ausdrückt, daß ihr gemeinsames
Denken in der Apodiktizität historischer Traditionen
seine Grenze hat und jede subjektive
Erkenntnis als Rebellion empfunden wird.
Ein faustdicker Materialismus und Egoismus
läßt sie zwar in rascher Einsicht mit den Entwicklungen
in Technik und Wirtschaft sympathisieren
, verstockt aber bleibt die Masse gegen
den Tatbestand ewigen Wandeins und Werdens
aller Gestalt auch im Geistigen, in der Kunst.
Und um so größer ist da der Haß, je weniger
Analogien sich in dem Inventar ihrer historischen
Bildung finden lassen wollen.
Alles bedeutende Geschehen in der geistigen
Kultur existiert erst in dem Augenblick für

das Gros, da es in eine simple, verstandesmäßige
und didaktische Formel verzerrt und stilisiert
ist. Das Ideal der Allgemeinbildung, diese
unglückliche Abstraktion aus dem Bildungsindividualismus
Lessings, Fichtes, Schillers,
diese Grundlage seelisch vollkommenen Phi-
listerdaseins, hat ja solche verfälschende Stilisierung
mentaler W^erte zur Voraussetzung.
Praktisch hat sich das Ideal so ausgewirkt, daß
all das übermittelte Weissen bei einer weitüberwiegenden
Mehrheit zu starren Denkgewohnheiten
von dogmatischer Gewalt wurden und
j ede Entfaltung individuellen Denk- und Seelenlebens
überwucherte.

„Die Deutschen," sagt Nietzsche einmal, „man
hieß sie einst das Volk der Denker, denken sie
überhaupt noch? Die Deutschen langweilen sich
jetzt am Geiste." Was ist von der hohen Ideenwelt
des deutschen Humanismus, von der
Nietzsches oder wen wir sonst nennen wollen,
in die Allgemeinheit eingegangen als ein ver-

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