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XVI
Tode erschienene Sammlung der Schriften des Hildanus blieb
bis zu Lorenz Heister die Bibel des deutschen Chirurgen.
Zwar brachte auch das 17. Jahrhundert im einzelnen manchen
Fortschritt. Krst an der Wende zum 18. Jahrhundert er^
schienen aber wieder Männer, deren Bedeutung an diejenige
von Pare und von Hildanus reichte. Ks bedurfte dazu auch
eines neuen Gedankens und dieser war nach dem anato^
mischen nun der physiologische Gedanke. Dieser
hatte sich kurz vor dem Tode des Hildanus angekündigt
durch das Werk von Harvey: « De motu cordis », das 1628
erschien, von dem aber Hildanus, wie diese zweite Auflage
zeigt, nicht mehr Kenntnis erhielt. Nachdem der physiolo^
gische Gedanke mit AI brecht von Haller einen ersten
Höhepunkt erreicht, erhielt die Arbeit des Chirurgen durch
Morgagni und später durch Bichat auf dem Wege
der pathologischen Anatomie neue Förderung.
Die operative Betätigung des Chirurgen bewegte
sich aber trotz beständiger kleiner Fortschritte im Kreise
herum und ging grundsätzlich nicht viel über das hinaus,
was schon Hildanus geleistet hatte. Sie konnte es auch
nicht, solange nicht Semmelweis, Pasteur, Koch und Lister
den letzten neuen Gedanken, die Antisepsis und
Asepsis gebracht, und Männer wie Billroth, v. Bergmann
und Kocher ihn in die Praxis umgesetzt hatten. So schliesst
sich die Erneuerung der Chirurgie, von der unsere Zeit
Zeuge ist, an das an, was die grossen Chirurgen der Re^
naissance geschaffen, und so stehen auch wir noch auf ihren
Schultern.
F. de Quervain.
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