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II. Ordnung) sich schon im Rückenmark in der vorderen Kommissur kreuzen (Edinger.
van Gehuckten)1}. Wenn wir also die Strangszellen des Rückenmarks als die erste Unterbrechungsstation
für die sensiblen Reize auffassen wollen, so können wir die Zellen des
nucleus magnocellularis Kölliker's als die zweite Etappe betrachten. 2) Die kurzen
Nervenfortsätze (Fig. I, 5, 6. 8 rot) (Mehrzahl der vorderen und Seitenstranggrundbündel)
verlaufen dagegen mir eine kurze Strecke nach oben, geben Collateralen ab und enden
selbst in der grauen Rückenmarks- und Hirnstammssubstanz; ihre Hauptbedeutung besteht
in dem Zustandekommen der reflectorischen Bewegungen, deren anatomische Verhältnisse
hier etwas genauer beschrieben werden sollen.
Die reflectorischen Bewein n o- e n kommen zu Stande auf dem Wege:
1) der k u r z e n , 2) der lang e n Retlcxbogen. Der k u r z e Reflex b o g e n (Fig. V,
A blau — sensible Zelle, schwarz = motor. Zelle) umfasst eine sensible periphere Nervenfaser
- - Spinalganglienzelle - - Faser der hinteren Wurzel - - ihre Reflexcollaterale (s. oben
S. 9. r?) motorische Zelle und deren Nervenfortsatz (= : Vorderwurzelfaser). Auf diesem
Wege kann der sensible Reiz vermittelst der sogenannten Reflexcollaterale Kölliker's (ß)
die motorische Zelle durch Kontakt erregen und die Muskeln zur Kontraktion bringen.
Der lange Reflexbogen unterscheidet sich von dem kurzen dadurch (Fig. XII), dass
zwischen der motorischen Zelle und dem Endbäumchcn der Reflexcollaterale noch eine
Strangszelle (Fig. XII, c grün) in die Kette eingeschaltet wird. Es ist selbstverständlich,
dass je kürzer der Nervenfortsatz der Strangszelle ist. um so kleiner auch der reflectorische
Effekt sein wird und timgekehrt, ein längerer Fortsatz wird dem sensiblen Reize eine
grössere Ausbreitung verleihen und dadurch einen Reflex von grösserem Umfange bewirken
. Da nun eine einzelne Hinterstrangfaser (lange aufsteigende Faser) auf das ganze
Rückenmark durch ihre Collateralen einwirken kann, so ist es nach dem Gesagten nicht
wundersam, dass z. B. die Reizuno- einer Extremität bei einem Frosch reflectorisch
Zuckungen des ganzen Körpers hervorzurufen imstande ist. Man nimmt an. dass die
Reflexbewegungen auch gehemmt sein können ünd> zwar durch die Fasern, die aus der
Hirnrinde centrifugal vielleicht in den Pyramidensträngen verlaufen. K'ölliker vermutet,
dass diese Fasern ein Uebergewicht, im Vergleich mit den sensiblen Reflexcollateralen,
auf die motorischen Zellen haben können. Wir sehen also, dass die Strangszellen sensible
Reize cerebralwärts fortleiten (durch die langen Nervenfortsätze) und1 die Reflexbewegungen
vermitteln2) (durch die Collateralen aller Strangfasern und die k u r z e n
Strangfasern selbst). Die Frage, welche Strangszellen die sensiblen Reize cerebralwärts
leiten und welche anderen die Reflexe vermitteln, muss bis jetzt noch unbeantwortet
bleiben. Ebenso ungewiss ist es, ob die kurzen Strangfasern nur den reflectorischen
Bewegungen dienen, oder aber ob sie auch als sensible Leitungen II. Ordnung aufgefasst
J) Die langen Strangfasern der Kleinhirnseitenstrangbahn erfahren keine Kreuzung (s. oben).
2) Da die Strangszellen durch ihre Nervenfortsätze und Collateralen mit den motorischen Zellen verschiedener
Gebiete im Zusammenhang stehen, so können sie auch die Bewegungsimpulse, die aus der Hirnrinde
ausstrahlen, grösseren Rückenmarksgebieten übertragen.
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