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Reglerungsdirektor Dr. R. Neuwlrth:
Medizinmeteorologische Forschungsstelle Freiburg
Die Entwicklung der bioklimatischen Umweltbedingungen
, insbesondere für die Stadt Freiburg
Vortrag gehalten am 19.1.1971 vor der Volkshochschule und der Arbeitsgemeinschaft Freiburger
Stadtbild e. V.
Die bioklimatische Umwelt setzt sich aus dem thermischen, dem aktinischen und dem luftchemischen
Wirkungskomplex zusammen. Die Entwicklung der Umweltbedingungen in Freiburg
I. Br. soll nach diesen drei Gesichtspunkten behandelt werden.
1. Thermischer Wirkungskomplex
Klimaschwankungen hat es schon immer gegeben. Ein besonders markanter Temperaturrückgang
mit einem raschen Gletschervorstoß war von 1600 bis 1700 n. Chr. In neuerer Zeit
ist das Klimaoptimum von 1900 bis 1940 sehr gut hervorgetreten. Seit dieser Zeit ist mit
Schwankungen ein Rückgang der Temperatur und eine Normalisierung zu beobachten. Auch
der Gletscherrückgang ist in den letzten Jahren zum Stillstand gekommen. Die Ursachen dieser
Klimaschwankungen sind noch nicht geklärt. Die Luftverunreinigungen können auf zwei
Arten wirken. Die Zunahme des Kohlendioxidgehalts bringt einen Temperaturanstieg, der
durch die verstärkte Gegenstrahlung der Atmosphäre bedingt ist. Diesem Effekt wirkt die
erhöhte Absorption der Strahlung durch die verstärkte Verschmutzung entgegen. In der weiteren
Entwicklung spielt die Versteinerung der Landschaft durch die weitere Verstädterung
eine Rolle. Eine Meßfahrt durch Freiburg am 17. Juli 1967 zeigte die starke Erwärmung im
Stadtbereich und die abkühlende Wirkung des Mooswaldes und des Colombiparks. Der
Temperaturunterschied zwischen der Siedlung Landwasser und dem nahen Wald betrug 3,6°.
Zwischen dem Rotteckring und dem Colombipark war eine Differenz von 2,5° festzustellen.
Zu diesen Temperaturdifterenzen kommt ein Windsystem, das kühle Luft vom Wald und den
Parkanlagen ins Freiland und in die überhitzte Stadt bringt.
Weiterhin sind noch örtliche Winde wie der Höllentäler, der an Sommerabenden der Stadt
kühle Luft zuführt, zu beachten. Die Struktur dieses Windes wird zur Zeit untersucht. Im
September 1970 wurden 50 Fesselballonaufstiege und 90 Pilotballonmessungen gemacht.
Das vorläufige Ergebnis ist, daß die bodennahe Schicht einen starken Reibungseffekt zeigt,
der durch zu starke Bebauung im Einzugsgebiet des Bergwindes noch erhöht würde. Bei
den weiteren Bebauungsplänen der Stadt sind die Grüngürtel wegen ihrer Windzirkulation
und der Dämpfung der Erwärmung besonders zu beachten oder neu anzulegen. Das örtliche
Windsystem, das mit der Lage der Stadt am Schwarzwaldrand zusammenhängt, darf durch
zu starke Bebauung nicht unterdrückt werden.
2. Aktinlscher Wirkungskomplex
Unter dieser Bezeichnung sollen die Einwirkungen der Luftbeimengungen auf die Strahlungsverhältnisse
angedeutet werden. Besonders auffällig ist in einem herbstlichen Nebeltag die
Differenz zwischen der Strahlungsfülle der Höhe und dem trüben Licht der Ebene. Die Strahlungsmessung
auf dem Schauinsland und in Freiburg ergab im UV-Bereich ein mehrfaches
über dem Nebel im Vergleich zur Nebelzone. Setzt man die Anzahl der Sonnenscheinstunden
zwischen Berg- und Höhenstation zueinander ins Verhältnis, so ergeben sich interessante
Folgerungen. Wird als Mittel das Jahrzehnt 1961 bis 1970 sowohl auf dem Feldberg
als auch in Freiburg errechnet, so kann man erkennen, daß die beiden Januarmonate der
Jahre 1969 und 1970 in Freiburg 75,3 %> des Mittels des Jahrzehnts aufzuweisen hatten. Derselbe
Vergleich erbrachte aber auf dem Feldberg 91,2 %>. Daraus ist zu ersehen, daß in der
Ebene im Winter die Sonnenscheindauer unverhältnismäßig hoch gekürzt wird. Die Ursache
ist die immer mehr zunehmende Verunreinigung der Luft in der Ebene. Diese Erscheinung
ist nicht allein auf die Oberrheinebene beschränkt. Ein ähnlicher Vergleich für den Harz und
Braunschweig liefert in Braunschweig 99 °/o des mittleren Sonnenscheins für den Zeitraum
vom Dezember 1961 bis November 1964 zum Mittel von 1951 bis 1960 gegenüber nur
91 °/o in Braunschweig. Da diese Unterschiede nicht nur zwischen Berg- und Talstationen,
sondern auch zwischen Kurorten und Industrieorten auftreten, geben sie einen Hinweis auf
die zunehmende Strahlungsminderung in Industrieräumen.
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