Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 2651
Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild [Hrsg.]
Freiburger Stadtbild (1971): Vorschläge - Berichte - Dokumente
1971
Seite: 37
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1971-02/0037
Denkschrift und Gutachten gegen den Abbruch
der Rotteckschule

Betr.: Denkschrift und Resolution zur Erhaltung des Gebäudes der Rotteck-Oberrealschule
(Gymnasium)

Weite Kreise der Freiburger Bevölkerung haben mit Bestürzung davon Kenntnis genommen,
daß das Gebäude der Rotteckschule einem Neubau für die Universitätsbibliothek geopfert
werden soll. Die „Arbeitsgemeinschaft" begrüßt selbstverständlich den Ausbau des geisteswissenschaftlichen
Bereiches der Universität am Rande der Altstadt, da die Universität Freiburg
stets ein integrierender Bestandteil des städtischen Lebens gewesen ist und bei den
heutigen Plänen zur Aktivierung der Altstadt eine entscheidende Rolle spielt. Dessen ungeachtet
ergeben sich gerade aus der räumlichen Nähe von Altstadt und Universität einerseits
und bürgerlicher und akademischer Bautradition andererseits gewisse Probleme und Verpflichtungen
, die unter allen Umständen beachtet werden müssen.

Im Rahmen der erhaltungswürdigen Bauensembles südlich des Martinstores und im Bereich
Rotteck-/Werderring nimmt das Schulgebäude einen besonderen Rang ein. Der Erbauer, der
Karlsruher Hochschulprofessor Heinrich Lang, hat sich in seinem Entwurf ganz der für die
Mitte des 19. Jahrhunderts maßgebenden Baugesinnung eines Gottfried Semper hingegeben,
und in der Nachfolge dieses größten Architekten seiner Zeit sein reifstes Werk gescnafien.
B. O. Müller hat in einer Inauguraldissertation 1961 das Lebenswerk Längs (1824—1893; einer
eingehenden Würdigung umerzogen und die städtebauliche Bedeutung gerade der Rotteckschule
(1872—1874) unterstrichen. In einem Schriftwechsel des kürzlich verstorbenen Karlsruher
TH-Professors Tschira mit Mitarbeitern der „Arbeitsgemeinschaft" kam sogar zum Ausdruck
, daß es Lang gelungen sei, einen baulichen Ausdruck der Geisteswelt Jakob Burck-
hardts zu schaffen. Bei aller gedanklichen Bindung an die Florentiner Renaissance des
15. Jahrhunderts ist ein wertvolles, eigenständiges Werk entstanden, das sich wohltuend von
den späteren Imitationen der wilhelminischen Epoche abhebt.

Für die städtebauliche Entwicklung in Freiburg ist das Gebäude ebenfalls beachtlich, da es
in Verbindung mit der Auflassung alter Befestigungen entstanden ist und eine auf Freiburger
Maßstäbe reduzierte Analogie zum Wiener Ring und zur Münchner Ludwigstraße aufwe.st.
Die Erhaltung gleichartiger und fast gleichzeitiger Bauensembles in den zitierten Städten
ist für die dortige Bevölkerung wie für die Verwaltung überhaupt keine Frage mehr.

In einem kürzlichen Vortrag im Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Freiburg hat die
Wiener Kunsthistorikerin, Frau Prof. Dr. Wagner-Rieger, überzeugend die kunstgeschichtliche
Entwicklung und Bedeutung der Bauensembles aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
dargelegt.

Ein weiteres entscheidendes Merkmal für die Erhaltung der Rotteckschule ist die Tatsache,
daß auch die übrigen öffentlichen Gebäude des Gebietes von Karlsruher Professoren erstellt
wurden: Die Universitätsbibliothek 1895—99 von Schäfer, das Kollegiengebäude I 1906—11
von Billing und das Kollegiengebäude II 1956—60 von O. I. Schweizer. Mit dem Verlust der
Rotteckschule, die das erste Glied in dieser Baugeschichte darstellt, würde die einmalige
Dokumentation der Baugesinnung einer Technischen Hochschule zerstört werden. Wir sind
der Auffassung, daß der wohlausgewogene Bau als einziges und einzigartiges Zeugnis der
Semperschen und Burckhardtschen Bau- und Geisteshaltung in Freiburg als entscheidendes
Baudenkmal erhalten bleiben muß.

Erläuternd sei auch darauf hingewiesen, daß in anderen Orten das Problem der Erhaltung
von Baudenkmälern nach 1830 schon längst im positiven Sinne entschieden wurde. So stellt
Hamburg Warenhäuser unter Denkmalschutz: Klöpper-Haus an der Mönckebergstraße (vor
1910), das Chile-Haus von Höger (1922—23); Düsseldorf den Kaufhof von Olbrich (1908).
Stuttgart erwägt, die Weißenhofsiedlung (1925—27) wieder in den ursprünglichen Zustand
zurückzuversetzen.

Keinesfalls verkennen wir Probleme, die eine räumliche Ausdehnung des wissenschaftlichen
Bereiches der Universität Freiburg mit sich bringen. Aus der Denkschrift der Universität
zur Raumnot im geisteswissenschaftlichen Zentrum geht jedoch hervor, daß das Raumdefizit
auch ohne Errichtung einer Universitätsbibliothek gerade an dieser Stelle weiter ansteigt. So
im Jahre 1975 auf 17 360 qm und 1980 auf 34 900 qm, ohne Universitätsbibliothek. Damit ergibt
sich für die Rotteckschule die Chance, durch einen Umbau im Inneren und durch intensivere
bauliche Nutzung der Seitenflügel und des Schuihofes ein weiteres Kollegiengebäude
für die Geisteswissenschaften der Universität in ihr einzurichten.

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