Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 2651
Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild [Hrsg.]
Freiburger Stadtbild (1974): Aufsätze - Vorschläge - Berichte
1974
Seite: 16
(PDF, 13 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1974-03/0016
Zwei Beispiele einer verständnislosen „Objektsanierung" aus den Jahren 1971 und 1972:
Die Villa Schalk-Schilling in der Stadtstraße, 1889 durch Eugen Schmidt erbaut (links) und
das Geschäftshaus Kaiser-Joseph-Straße 260, 1893 von Oskar Geiges errichtet. An Stelle
der abgebrochenen „Individualisten" stehen heute neue Renditebauten.

Die abschließende Moritat betrifft nicht einen Bürger, der nicht bereit ist, die Forderungen,
die man gemeinhin an die öffentliche Hand zu stellen gewohnt ist, gegen sich gelten zu
lassen, sondern wieder einmal die Stadtverwaltung. Sie bezieht sich auf die Skulptur der
„Fischerin" an der östlichen Gartenfassade des zwischenzeitlich abgerissenen Hauses
Schwarzwaldstraße 32, früher Nr. 14. Die Statue wurde um 1885 von einem bisher unbekannten
, hochbegabten Künstler im Stile des Strengen Historismus für Carl Heinrich Fischer
geschaffen, wobei klassizistische Vorbilder neu interpretiert wurden. Ohne Zweifel handelte
es sich um eine der wertvollsten Arbeiten dieser Kunstrichtung in Freiburg, so daß sich die
„Arge Stadtbild" bereits im Frühjahr 1972 um eine rechtzeitige Bergung der Figur bemühte.
Der Abbruch des Hauses Schwarzwaldstraße 32 stand zu jener Zeit bereits fest, so daß das
Schicksal der Statue voraussehbar war.

Amtlicherseits konnte man sich jedoch im Hinblick auf noch schwebende besitzrechtliche
Fragen nicht zur Sicherstellung entschließen. So kam es, wie es kommen mußte: Aus den
rechtlichen Fragen machte ein Dieb einen klaren Rechtsvorgang — er brachte das Bildwerk
auf seine Weise in Sicherheit. Dies geschah Ende September 1972.

Zieht man das Resümee dieses Ausschnittes aus dem „Großen Buch des Verschwindens" in
Freiburg, so bleibt die Forderung nach schnellem, unbürokratischem Handeln aller an der
Wahrung Freiburger Kunst und Kultur interessierter behördlicher und privater Stellen. Dies
setzt eine permanente und rechtzeitige Unterrichtung der Öffentlichkeit bei Abbruch- und
Umwandlungsmaßnahmen voraus. Im Sinne der Transparenz der kommunalpolitischen Entscheidungen
muß erneut die Öffentlichkeit von Bauausschußsitzungen verlangt werden.
Diese Forderung erhoben wir bereits am 20. April 1970 in einem Antrag an den Oberbürgermeister
und an die SPD-Gemeinderatsfraktion. Der Deutsche Städtetag hat im selben
Jahr auf seiner Sitzung in Freiburg die gleiche Forderung gestellt.

Der organisierte Städteabriß, den man in der Bundesrepublik Sanierung nennt, hat bis
heute erschreckende Ausmaße erreicht. Es gibt kaum noch eine Altstadt, deren Garaus von
Banken, Baufirmen, Kaufhäusern und Behörden nicht emsig geplant würde. Die durch
Gesetzeskraft legalisierte Vernichtung von Wohngebieten übertrifft bereits die Zerstörungen
des Krieges.

Marianne Kesting

in „Deutsche Zeitung" am 2. November 1973

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