Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 2651
Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild [Hrsg.]
Freiburger Stadtbild (1974): Aufsätze - Vorschläge - Berichte
1974
Seite: 22
(PDF, 13 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1974-03/0022
Was ist die Sozialstruktur einer Stadt?

Wie schon angeführt, wird sie erkennbar über die sozial-spezifische Eigenheit eines jeden
Quartiers einer Stadt. Zusammengefügt geben sie die Soziaistruktur einer Stadt wieder. Als
Unterscheidungshilfe kennt die Soziologie sogenannte Schichtenmodelle, z. B. über Berufsgruppen
oder Einkommensgruppen; sie sind reine Hilfsmittel, welche nur beschränkt die
wirklichen sozialen Unterschiedlichkeiten wiedergeben können.

Konkret erkennbar wird die Sozialstruktur einer Stadt, wenn über die Schichtenmodelle
belegt werden kann, daß höhere Einkommensgruppen ortsspezifisch (Villenquartiere) auszumachen
sind, wie auch untere Einkommenschichten massiert in eigenen Quartieren zusammenleben
. Schon über die jeweilige Ausgestaltung der betreffenden Wohngebiete wird
unzweifelhaft deutlich, wie schier unüberbrückbare Welten hier existieren, aus deren Seibst-
verständnis und Lebensweise heraus die jeweils andere, nicht vergleichbare Lebensauffassung
begründet ist.

Weshalb ist die Stadt sozial strukturiert?

Vereinfacht könnte man sagen, es liege immer noch tief im verwurzelten Prinzipiendenken
verankert, daß es hier einen Herrn und da einen Knecht zu geben habe.

Die historisch zu belegenden Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Gebieter und zu Gebietenden
, was leider hier nur angedeutet werden kann, machen offenkundig, wie über den Wechsel
der Siedlungsgewohnheiten des Menschen hindurch in unterschiedlicher Weise eine örtliche
Distanz von Herr und Knecht, bzw. von Oberschicht zur Unterschicht, installiert wurde.

Die klassische Isolierung erfolgt aber erst durch die Begründung von Städten und der gleichzeitigen
Begründung des Bürgertums (Rom, Alexandria).

Durch Entstehung neuer Stände und der Zünfte, vor allem aber durch das industrielle Zeitalter
, entwickelten sich die Städte bis heute zu einem hochkomplexen Soziostrukturgebilde,
welches sich nur noch grob über klassische Schichten wie Arbeiter, Angestellte, Akademiker
ordnen läßt. Die „standesgemäße" Umgebung wurde bis heute noch zementiert, da man sich
nur da wohl und „zuhause" fühlt, wo man verstanden wird. Der soziale Stand ist zugleich
Schicksalsgemeinschaft. Ein über die Schichten übergreifender Dialog ist schier unmöglich,
weil nach wie vor die gelebte Praxis auf den Unterschied von oben und unten angelegt ist.
Die sich bildenden Gastarbeitergettos sind tragischer Beweis.

Die Mischung sozialer Schichten in Neubaugebieten ist auch heute noch ein äußerst schwieriges
Unterfangen, das die schichtenspezifischen Vorurteile nicht abzubauen sind. Wie weitreichend
diese Vorurteile sich für das jeweilige Quartier auswirken, ist meßbar an Umfang
und Qualität der vorhandenen Infrastruktureinrichtungen.

Hieraus läßt sich weiterhin folgern, daß die jeweilig vorherrschenden Bedürfnisse eines
Wohnquartiers, der Grad seiner Artikulations- und Durchsetzungsbefähigung, in direkter
Beziehung zur jeweilig vorherrschenden sozialen Schichtung, steht.

Veränderung der Sozialstruktur eines Wohngebiets durch Sanierung

Gemeint ist hier mit Sanierung weniger die Einzelobjektsanierung, als vor allem die Flächensanierung
, der ganze Wohngebiete zum Opfer fallen.

Ursache sind:

— Baufällige und veraltete Wohngebiete, deren laufende Instandhaltung und Modernisierung
versäumt wurde.

— Änderung des Flächennutzungsplanes aufgrund der raschen Stadtentwicklung. Bisherige
Wohngebiete werden als Kerngebiete ausgewiesen (Kaufhäuser, Banken, Versicherungen).
Die Spekulation um Grund und Boden beginnt.

Wurde ein Gebiet zur Sanierung freigegeben, so ignorierten die Planer wie deren Auftraggeber
bis heute:

— Die intakte Sozialstruktur der Altwohngebiete.

— Die Integrierung der früheren Bewohner in die sanierten Gebiete mit für sie zahlbaren
Mieten.

— Unvernünftige Abrisse von architektonisch als wertvoll anzusehenden Bauwerken, welche
von einem monotonen und einfallslosem Bausystem von heute ersetzt werden sollen.

— Zuwenig Förderungsmaßnahmen und steuerliche Anreize von Seiten des Staates, Altgebäude
zu sanieren (d.h. das Erarbeiten wirtschaftlicher Methoden für Modernisie-
rungs- und Renovationsmaßnahmen).

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