Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 2651
Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild [Hrsg.]
Freiburger Stadtbild (1976-78): Aufsätze - Vorschläge - Berichte
1976-78
Seite: 25
(PDF, 14 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1976_78-04-05/0027
nacheinander die Zeugen der Seele unserer Stadt: Die Bächle-Einfassungen z. B., die
seit Menschengedenken aus warmem rotem Sandstein bestanden, sind durch kalten,
schon garnicht mehr auffallenden Granitstein ersetzt worden. Den einzigen, wenn
auch kurzen, aus dem Mittelalter völlig erhaltenen Straßenzug, die Rathausgasse,
habe ich auch verschandeln helfen. Ich lache mir ins Fäustchen überdie künstlerische
Konzeptionslosigkeit der Bauverwaltung, wenn sie ein mittelalterliches Christoffeltor
erstellen will, von dessen einstiger Existenz niemand mehr etwas weiß und von dem
weder Bild noch Zeichnung auf uns gekommen ist, und zwar nur etwa 50 Meter
entfernt vom Karlsklotz und als Ende der Hauptstraße, deren ursprünglichen
Charakter sie mit modernen Großbauten aufbrechen und vernichten läßt.
Aber ich will diese Fäden nicht weiterspinnen, sondern auf diesen Neubau, der
Dich bedrängt, zu sprechen kommen. Natürlich habe ich etwas Mimikry getrieben,
gerade nur so weit, wie es unumgänglich war, um die Gegnerschaft nicht gar zu
sehr zu reizen; ich gab also in einigen Dingen klein bei, ließ dem Stahlbeton ein
Gewand anlegen und erfüllte auch sonst ein paar Forderungen - aber ich habe
mich dabei richtig aufspielen können; ich trete nun als der Mächtigste auf der
Kaiser-Joseph-Straße jedermann vor Augen, niemand kommt mir gleich, - obwohl
die beiden anderen Kollegen in dieser Straße viel größere Geldsummen ihr eigen
nennen -; und da ich einmal Fuß gefaßt, kam für mich Gleich- oder Einordnung
nicht mehr in Betracht. Ich habe frech noch ein Stück der Straße eingeheimst,
auf die Gebäude neben mir nahm ich keine Rücksicht mehr. Der Basler Hof aus
Kaiser Maximilians Zeiten (Regierungspräsidium), bisher eine Dominante in diesem
Teil der Kaiser-Joseph-Straße, ist nun endlich in den ihm gebührenden Hintergrund
getreten, von mir z. T. verdeckt und abgelöst. In Zukunft gebe ich den Ton an für das
Häuserkonzert, mögen die alten Menschen den alten harmonischen Klängen
nachtrauern, die Jugend, die diese nicht mehr kennt, wird ohnehin der
Welt der Disharmonien anhangen und sie als die ihre empfinden. Als kleinen
frechen Witz, um meine Macht zu zeigen, mich überall durchzusetzen, ließ ich eine
aus der vorgerückten Fassade noch weiter hervorstehende grüne Wanze, ein grünes
Eisengestänge mit Glas dazwischen, anbringen. So kann jeder sehen, daß ich mich
nicht verberge. Und Dir, Münsterturm, strecke ich - Du magst es als Beleidigung
auffassen, mit ist es einerlei - meinen gräßlichen, ständig aufgerissenen zweigeteilten
Höllenrachen entgegen, der die Waren-Lastwagen aufnimmt und wieder ausspeist.
Hast Du ihre Auspuffgase schon verspürt? Sie werden den Erfolg der im Gange
befindlichen Schutzmaßnahmen zu Deiner Erhaltung natürlich merkbar beeinträchtigen
. Überhaupt habe ich mir mit der Ansichtsseite zu Dir hin keinerlei Mühe geben
müssen, die Herren haben alles geschluckt

Noch etwas habe ich erreicht, was bisher garnicht recht gewürdigt worden ist. Sie
alle haben offenbar Angst davon zu sprechen: Auf dem Dach stellte ich sieben
gläserne viereckige Zeltdachkuppeln auf. Bisher umgaben Dich, lieber Münsterturm,
nur Satteldächer, von Deiner Höhe und vom Schloßberg aus betrachtet eine schöne
einheitliche Dachlandschaft. Viele Jahrhunderte hindurch wurde sie von allen verantwortlichen
Männern sorgsam erhalten, um Dich Deiner äußeren und inneren
Bedeutung entsprechend richtig hervorzuheben und Dir den gebührenden Raum zu
geben. Jetzt habe ich mich mit meinen Glasaufsätzen dazwischen gesetzt und damit
die Harmonie der Dächer zerstört. Die Menschen sollen sehen, daß mit ihrer alten
Gefühlsduselei endgültig Schluß ist, und zur Kenntnis nehmen, daß ich dem Münsterturm
gleichberechtigt bin. Gewiß - Du brauchst mich nicht darauf hinzuweisen - eine
Stadt wie Straßburg würde das niemals zulassen, aber warum sollte ich es hier nicht

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