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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1992-09/0010
Abgeordneten waren für uns, aber das durften sie nicht äußern. Noch mehr Bürger
arbeiteten mit, am unermüdlichsten meine Frau. Wir sammelten über zweitausend Unterschriften
gegen den Bau dieser Autobahn durch die Stadt, machten Wurfsendungen
(sonntags, mit dem Auto von St. Georgen bis Littenweiler, um Porto zu sparen), luden fortlaufend
Stadträte ein, die Herren Dr. Ewers und Hörmann, ich tippte Briefe nach Stuttgart
und Bonn, besuchte Kurse über Verkehrs- und Städteplanung. Dazu kamen die üblichen
kommunalpolitischen Hahnenkämpfe in Versammlungen und Bierstuben mit Vereinen und
Gruppierungen, die uns nicht grün waren. Einmal fuhr ich mit dem Bürgermeister die
Trasse ab. Um sie mir schmackhaft zu machen, schlug er Troglage vor. Quer darüber
Betonträger in Form von Blumenkästen, bepflanzt mit Geranien. "Wenn Sie dann drüber-
hinsehen", sagte er," sieht die Trasse aus wie eine Gartenschau!".
"Helfen Sie mir dann die Blumen gießen, Herr Bürgermeister?" Man erlebt schon lustige
Dinge in der Politik! Auch weniger schöne. So versagte uns das Finanzamt die Gemeinnützigkeit
mit der Begründung, wer gegen den Bau einer Autostraße sei, handle gegen das
Volkswohl. Es war uns gleichgültig, denn: So war's!

"Die Wiehre muß plattgewalzt werden", meinte ein Stadtplaner im Wiehrehof, "denn dort
wohnen nur arbeitsscheue Ästheten, deren einziges Interesse dem Stadttheater gilt". (Darf
ich seinen Namen verschweigen?). "Ich würde in Ihre alte Bude keine Klinke mehr investieren
", gab mir ein anderer zur Antwort. Heute denken beide Herren ganz anders, aber ich
frage: Ist denn das nichts? Ich werde manchmal gefragt, was Stadtbild schon erreicht
hätte? Dann gebe ich zur Antwort: Eben dies, das Umdenken - ist das nichts, wenn man
heute Freiburg ansieht?

Aber nicht darauf bin ich stolz, sondern auf die kooperative Form, zu der verantwortliche
Politiker und Beamte zusammen mit engagierten Bürgern gefunden haben. Und ich weiß:
Es war zum Wohle unserer Stadt! Mehr wollten wir nicht.

Ja, so war's damals, und vielleicht denkt der jüngere Leser jetzt: Was soll's? Aber denkt er
auch an die Zivilcourage, die dazu gehörte, gegen den Zeitgeist und die Gigantomanie
anzugehen, und dies mit keiner anderen Argumentation als der einer unkomplizierten
bürgerlichen Vernunft!

Eine köstliche Geschichte will ich nicht verschweigen: Bürgerversammlung in der Wirtschaft
zur Tram. Alles überfüllt, Dampf, Rauch und Stimmengewirr. Es ging wie immer um
den unerträglich werdenden Verkehr in Wohnvierteln - heute sind wir ihn gewohnt! Erregt
springt eine junge, recht hübsche Person auf, ruft in die Diskussion: "Herr X, ich stell Ihne
gern mein Schlafzimmer für eine Nacht zur Verfügung. Ich garantier Ihne, daß Sie am
nächste Morge kei Aug' zug'macht habe!"
Stille.

Dann eine dröhnende Stimme von hinten: "Zugreifen, Herr X!" Brüllendes Gelächter. Für
diesen Abend war die Volksversammlung gelaufen.
Ja, so war's! Wir schrieben jetzt das Jahr 1969.

Alfred Malcherek war unermüdlich und mir eine echte Hilfe. Wollte mich der Mut verlassen,
kam er mit neuen Ideen, sah er andere Möglichkeiten. Im Frühjahr 1969 erschien er
abends bei mir, ganz stolz: Es gibt jetzt eine "Arge Freiburger Stadtbild". Man hat mir
angeboten, bei der nächsten Vorstandswahl als zweiter Vorsitzender zu kandidieren. Das
wäre enorm wichtig für uns!" "So", knurrte ich, "neue Firma also! Hauen sich wohl um alte
Dachziegel?" Aber Malcherek machte mir klar, daß diese Vereinigung, die schon seit 1967

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