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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1994-10/0031
Wer aber in diesem Raum steht und nur ein wenig Fantasie besitzt, kann sich leicht vorstellen
, wie er nach einer einfühlsamen Renovierung aussehen könnte. Holz- und Steinwerk
wieder farblich abgesetzt, die Nebenräume geöffnet, begehbar. Die Decke in hellen
Farben! Ein Repräsentationsraum für mehr als einhundert Personen, auch anderen,
öffentlichen Zwecken zuführbar. Für Ehrungen, Verleihungen, Festvorträge, Empfänge
oder kleinere Feste.

Selbst die Schulfahne soll noch existieren, sie müßte hier wieder ihre Aufstellung finden.

Es geht doch bei all dem nicht um die Frage, ob unsere Generation des „Jugendstils"
überdrüssig ist. Es geht darum, der kommenden Generation den kulturellen Willen und
Ausdruck einer früheren Epoche am lebenden Beispiel begreiflich zu machen: Das wäre
wirkliche Tradition! Denn Handwerk und Facharbeit wuchsen aus Jahrhunderten herauf,
bis heute sind sie kulturbestimmend. Ihr Schönheitsbedürfnis, ihr Stolz haben gerade in
diesem Bauwerk ihren beredten Ausdruck gefunden.

Hier wenden wir uns der von Mathias Stamnitz gestalteten Fassade zu. Sie wirkt bei aller
Symmetrie nie langweilig. Die Größe des Baukörpers ist in organisch wirkende Bereiche
aufgelöst. Wer im Hof stehend aufmerksam um sich schaut, erkennt die Kopfplastik von
Stamnitz linkerhand unter dem Erker des Südflügels: Er trägt als verantwortlicher Bauleiter
die Last seiner großen Aufgabe.

Die Fassade scheint in ihrem Habitus dem Schloß Aschaffenburg nachgebildet zu sein.
In den Unterlagen findet sich nichts darüber. Schon am obersten Punkt beginnt ihre
Symbolsprache: Hier steht der junge Ritterknappe, dessen Weg aus der mittelalterlichen
Feudalzeit nun hinüberführt in eine neue, in die handwerklich-bürgerliche Epoche. Die
Bronzeplastik mußte wegen Baufälligkeit ihres Fundaments vor zwanzig Jahren entfernt
werden. Jetzt kennen wir auch den Grund, weshalb Thoma und Stamnitz bewußt die
Architektur der Renaissance wählten: Sie symbolisiert die Neuzeit. Unter dem Schutze
des Reichsadlers, der unter dem Knappen seine Flügel breitet, erkennt man das Farbmosaik
der Stadt Freiburg, flankiert von zwei Frauengestalten und vier Kopfreliefs, unter
denen die von Gutenberg, Dürer und Hans Sachs gut erkennbar sind.
Darunter liegen die Fenster jenes Speicherraumes, in dem der erste Rundfunksender
der Stadt untergebracht war, rechts und links flankiert von den Schutzpatronen.

Hier endet der eigentliche Giebelbau, an den Seiten wiederum eingefaßt von den beiden
Turmhelmen. Und darunter, jetzt breit die ganze Front überspannend, die Fenster der
Aula mit ihren in den seitlichen Erkern liegenden Nebenräumen, mit ihrem über die
ganze Breite hinweggezogenen Band bunter Glasmalereien. Sie stellen die Handwerke
dar, unter denen der junge Knappe jetzt wählen kann. Und rechts und links der Aula greifen
die bunt gemalten Wappen der einzelnen Handwerke nach Norden und Süden aus,
gliedern die Front, und führen am Nordflügel an die Graffiti heran, deren ehemals prachtvollen
Farben fast zur Unkenntlichkeit abgeblaßt sind.

Unter der Aula Direktionsräume und Eingang. Sie stabilisieren die hohe Fassade nach
unten, geben ihr mit dem vorgezogenen Balkon optischen Halt. Bei aller verspielten Gliederung
ist hier nichts überflüssig, jede Einzelheit erscheint harmonisch eingefügt und
funktionell gestaltet.

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