Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/frey1898/0068
56

IV. Die Totenklage.

Schritt der Entwicklung zum Seelenkult hin nicht gemacht
worden sein. Und eben dieses ist in Israel zu konstatieren.

Ist nun dennoch die Klage nicht als Ausbruch und
Ausspruch des Schmerzes aufzufassen, sondern als religiöse,
kultische Handlung, so ist demnach damit noch nicht bewiesen
, dass sie deshalb den angeredeten Toten als das kultische
Objekt ansieht, denn nicht er, sofern er eine Persönlichkeit
ist, ist Objekt der Klage, sondern er, sofern ihn
ein bestimmtes irreparables Geschehnis betroffen hat.x)
Kultisch ist die Handlung, weil sie geschieht unter einem
religiösen Gesichtspunkt, und das ist der Fall, sofern der
Trauernde angesichts des eingetretenen Todes, der ihn zu
solcher Handlung veranlasst, sich in Beziehung stehend
weiss zu dem, von dem dieses Geschehnis ihm abhängig erscheint
, — ohne dass dieser Gedanke auch ausgesprochen
zu werden braucht. Das heutige jüdische Totengebet, das
Kaddisch, ist ein deutliches Analogon dafür, denn es ist
ein an Jahveh gerichtetes Gebet, welches den Toten nicht
einmal erwähnt, — hier ist der religiöse Gesichtspunkt so
in den Vordergrund getreten, dass der Grund der Klage
ganz aus den Augen verloren ist.2) S c h w a 11 y sieht den
Grund dafür darin, dass die Anschauung von einem Nützen-
oder Schadenkönnen der Toten mit der Zeit gänzlich geschwunden
sei und man daher keinen Grund hatte, das Gebet
noch an den Toten zu richten,3) und meint, das Kaddisch sei
dem alten Totengebet so unähnlich wie möglich.4) Letzteres

a) Vgl. den Kanon von Budde, d. hebr. Klagelied ZATW., II 1882.37.

2) Vgl. die Übersetzung bei Scbwally, Lb.ndT. 190. Dass im
Kaddischgebet sieb ein Rest altisraelitischen Totenkultes bis auf den
heutigen Tag erhalten habe (Stade, GVJ. I, 426 n. 2), ist eine nicht
bewiesene und nicht beweisbare Behauptung.

3) Lb.ndT. 190.

4) Lb.ndT. 25.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/frey1898/0068