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Ergebnisse.
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Durchgehends ist hervorgetreten, dass der Tod nach
altisraelitischer Anschauung nicht erscheint als Durchgang
in eine höhere Daseinsform, in welcher die Seele, losgelöst
von den Schranken der Leiblichkeit, mit einer ein Eingreifen
in die menschlichen Verhältnisse ermöglichenden Ubermächtigkeit
ausgestattet wäre, die eine kultische Verehrung
bedingen würde. Der Tod erscheint vielmehr als eine durch
eine höhere Gewalt — Gott — gewirkte Sistierung des
menschlichen Lebens, durch welche die Seele des Lebens
und, weil des Leibes, der Lebenskraft beraubt, in eine
beklagenswert elende Existenzweise versetzt wird. Eben
dieses Elend des Todesgeschickes veranlasste den Hebräer
zu-einer Keine von Sitten und Gebräuchen, welche einerseits
auf den Ursächer desselben bezüglich — daher kultischer
Natur — eine mitleidbezweckende Selbstdemütigung zum
Ausdruck bringen sollten, anderseits auf den Verstorbenen
bezüglich eine seinem Todeszustand entsprechende Wirkung
auszuüben bestimmt waren, sofern durch dieselbe eine Fürsorge
für die Seele getroffen und die Fortdauer der Zusammengehörigkeit
mit dem Verstorbenen gewahrt erschien.
Wenn demgemäss auch die primären Beweggründe dieser
Sitten die gleichen sind wie bei allen anderen Völkern und
demnach auch in Israel das Vorhandensein eines Seelenglaubens
zu konstatieren ist, so sind doch die sekundären
nicht identisch mit denjenigen, welche eine animistische Religion
— Seelenkult, Polydämonismus — kennzeichnen. Das
Vorhandengewesensein eines Seelenkultes in Israel zu irgend
einer Zeit erschien vielmehr direkt ausgeschlossen. Dieses
Resultat fand seine Bestätigung durch das weitere Ergebnis
der Untersuchung, dass die Rudimente des alten Seelenglaubens
zu keiner Zeit in einem Gegensatz befindlich sich
zu erkennen geben zu dem seit der Gründung des israelitischen
Volkstums die israelitische Volksreligion bildenden
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