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22 Erstes Buch. Elftes Kapitel. Die Lehre von den acht Modi (Tonarten) der jetzigen Musik.
ihren äufseren, d. h. von ihren oben und unten benachbarten Schlüsseln, nämlich als mi von
csol fa ut und /« von a la mi re. Denn dieselben sind unter sich um einen grofsen, von ihren
benachbarten Schlüsseln auf beiden Seiten aber nur um einen kleinen Halbton entfernt, daher
die Erwägung- dieser Theorie durchaus nicht zu verachten .ist
Übrigens ist nicht mit Stillschweigen zu übergehen, was derselbe Severinus 3. Buch,
14. und 15. Kap. sagt; dass nämlich der kleine Halbton nicht ganz vier Commata habe, sondern
etwas über drei, und so habe auch der grofse Halbton nicht ganz fünf Commata, sondern
etwas mehr als vier; so kommt es, dass der Ganzton acht Commata übersteigt ohne neun
vollständig auszufüllen.
Elftes Kapitel.
Die Lehre von den acht Modi (Tonarten) der jetzigen Musik.
"Wir halten kaum irgend einen anderen Teil der Musik der Besprechung gleich wert,
gleich notwendig und gleich angenehm, als die Behandlung der Modi, die wir jetzt mitteilen
wollen. Sie sagt nämlich so sehr der menschlichen Natur zu, dass sie eigentlich vielen Menschen
angeboren zu sein scheint; sie ist sehr nützlich, nicht nur um jeden Gesang zu beurteilen,
fot, : ^£ e*«* sondern auch um die Gedichte der Dichter/einzurichten, und sehr geeignet, viele Stellen in
// - -
vortrefflichen Musikstücken zu verstehen. Deswegen ermahnen wir alle Schüler eindringlichst,
U&U* ttfHeß&H, ^r den Q-eist ernstlich anzustrengen, denn sie werden davon einen Nutzen haben, der sie
l wahrlich niemals gereuen wird, wenn sie dieses einmal gründlich erfasst haben. Wenden wir
uns nun zur Sache selbst. _ ■
Die musikalischen Modi sind nichts anderes als Konsonanzengattungen der Oktave
W • pt$»*gt«<~ s5l^t' welche wiederum aus den verschiedenen Quinten- und Quartengattungen entstehen,
i hl JLk * w*e w*r ^as oben Ü^er ^e *nterva*le ^esag't haben. Wenn daher jemand das, was wir dort
\ | **A*r***'i^^mitgeteilt haben, wohl verstanden hat, wird er auch ohne Mühe die Natur der Modi verstehen.
Trotzdem werden wir später auch noch andere Kennzeichen der Modi angeben; doch nach
unserer Sitte wollen wir zuerst das, was unsere Musiker lehren, vortragen, und hierauf in dem
anderen Buche die Lehre der Alten hinzufügen, damit jeder leicht sehen kann, wie unsere
Lehre mit der Lehre, der Alten übereinstimmt. • Von den vierzehn Modi, welche aus den sieben
g Oktavengattungen entstehen, erkennt unsere Zeit nur acht an, wenn sie sich auch dreizehn bedient
, die einen stets, die anderen seltener, wie wir später zeigen werden. Auch diese acht
unterscheidet sie nicht nach einem wirklichen Grunde oder nach bestimmten Gesetzen, sondern
bestimmt sie nach gewissen aber nicht allgemeinen und zutreffenden Regeln. Sie nennt sie
ebenfalls Töne und zwar mit solcher Konsequenz und Hartnäckigkeit, dass, wenn wir uns
nicht so ausdrücken, wir manchen vorkommen werden, als kennten wir nicht die Anfangsgründe
der Musik; aber ich will hierüber mit niemand streiten; mir gefällt es, sie Modi zu
nennen, wie die Alten sie alle genannt haben. Es kann jedoch scheinen, als sei die Benennung
Töne zur Zeit des Boethiits aufgekommen, denn derselbe sagt im 4. Buch,« 14. Kap, %so:
„Aus den Gattungen der Konsonanz Oktave bestehen die sogenannten Modi, die man auch
Tropen oder Töne1) nennt;" mit welchen Worten er diese Neuerung nicht sehr zu billigen
scheint Die Unsrigen beginnen die Vorschriften über die acht Modi so: „Einige sind von
ungerader Zahl, so der 1., 3., 5. und 7.; die anderen sind von gerader Zahl, wie der 2., 4., 6.
und 8. Jene werden authentische, diese aber plagalische oder subjugale genannt; die
l) „Ex diapason igitur consonantiae speciebus existunt qui appellantur modi, quos eosdem Tropos vel Tonos nominant."
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