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DES heiirich loriti, GLAßEAHUS, PATRICIEBS aus GLÄRUS ii der Schweis
DODECAGHORDOIS
Zweites Buch.
Erstes Kapitel.
Wie in Wirklichkeit die Modi zu unterscheiden sind.
Wir haben bisher alle Elemente dieser Wissenschaft, welche uns notwendig schienen,
und welche sich teils auf die Theorie und teils auf die Praxis bezogen, kurz, und, wie ich
glaube, deutlich vorgetragen; es erübrigt uns jetzt noch, den höheren und wichtigeren Teil
unseres Unternehmens zu erklären, der gleichsam als unser vorgezeichnetes Ziel und als der
Hafen dieser beschwerlichen Schiffahrt zu betrachten ist, nämlich den über die zwölf Modi
der alten Musiker, damit wir unserer Zeit eine würdige Abhandlung darbieten und zeigen,
dass der von uns am Anfange gesetzte Titel Dodecachordon nicht von ungefähr genommen
worden ist. Freilich hat es heutzutage gelehrten Männern paradox geschienen, wenn wir von
zwölf Modi sprachen» denn sie selbst kannten nur acht; anderen sogar schienen drei, nämlich
ui, - re,: mi, wie die gewöimnc^en Bänkelsänger sie haben, auszureichen, und führten sie, aufser
Ätkmaeus, einem wirklich nicht Üblen GewäJarsmann ihrer Meinung, den Ibrphyrio an, der dieses
an zwei Stellen zu Horaz lehre, Fürwahr, sie werden um die würdige Antwort nicht betrogen
werden^ sobald wir später dies zu behandeln anfangen. Darüber mag sich mancher mit mir
wundern, wie es kommt, dass sehr viele, die sich für ausgezeichnete Musiker halten, darüber
befragt, wie sie die Modi unterscheiden, nicht einmal ein Wort der Sache gemäfs antworten
können. Denn damit, dass die Einen behaupten, der Unterschied der Modi beruhe im Finalschlüssel
, die Anderen hingegen sagen, er beruhe in den verschiedenen Quintehgättungen,
befriedigen sie einen verständigen Leser nicht Denn der Finalschlüssel ist später erfanden
und nicht immer in derselben Weise beibehalten worden, wie der Usus zeigt und wie wir in
dem vorigen Buche, Kap. 12, deutlich genug dargethan haben. Auch der Umstand, dass je
zwei Modi denselben FmalscMüssel uad Ä Quinte gemeinsam haben, spricht dagegen.
Deshalb ist es nötig, dass wir Merin der Wahrheit tiefec auf den Grund gehea* Die Modi,
welche die Griechen (wie Plato hb. 3 de re publ.) Harmonieen nennen, unterscheiden sich nicht
anders als die sieben Oktavengattungen selbst, aus denen sie bestehen. Die Oktavengattungen
werden aber aus der verschiedenen Lage der Halbtöne genommen, wie wir gleichfalls in dem
vorigen Buche, Kap. 8, über die verschiedenen Arten der Konsonanzen aus Boethius gelehrt
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