Freiburger historische Bestände - digital

EINLEITUNG.

ganze Staatengeschichte dynastisch angelegt war, vermochte ein
Kronprätendent alle staatliche Ordnung umzuwerfen oder doch
auf Jahre hinaus zu gefährden; der Staat war schwächer ihm
gegenüber. Daher besteigt Konradin von Schwaben das Schaffot
und wird Ludwig Napoleon bloss der Gefangene von Hain. Wir
geniessen constilutioneller Verfassungen, die Berechtigung verschiedener
politischer Richtungen ist anerkannt, nicht mehr
gilt der Gegner der Regierung als ein Feind des Staates, ein
Umslürzer, es giebt eine loyale Opposition ihrer Majestät; diese
einzige Aenderung war der Todessloss nicht bloss der Todesstrafe
auf politischen Verbrechen, sondern so ziemlich der politischen
Verbrechen selbst. Die schweizerischen Republiken des
letzten Jahrhunderts haben mehr wie einen ihrer besten Volks-
führer als Landesverräther hingerichtet und Jefferson Davis
bleibt am Leben. Die französische Revolution war stets viel
geneigter, die Todesstrafe auf den gemeinen Verbrechen abzuschaffen
, als die auf politischen, aus richtigem Instinkt; der
Staat verfuhr eben nach der Seite hin, wo er sich am schwächsten
fühlte, am härtesten. Ganz dieselbe Veränderung des Verhältnisses
zwischen Staat und Einzelnem nehmen wir bei den
gemeinen Verbrechen wahr. Es giebt keine eigentlich volkstümliche
Verbrechen mehr; diejenigen, welche einst umgeben
von Spiessgeselleu aller staatlichen Ordnung kühn den Handschuh
hinwarfen, sind mit Ausnahme von Italien und einigen
östlichen Bezirken aus Europa so gut wie ganz verschwunden.
Der Mord ward in den meisten Fällen zum Privatmord. Kaum
ist dieser begangen, so ist er entdeckt. Polizei, Presse, Volk
reichen einander dazu die Hand. Wir haben gute sichere Gefängnisse
, haben die Deportation. Wir empfinden es daher
fast als eine Schwäche des Staates, wenn er sich Person gegen
Person dem einzelnen wehrlosen Verbrecher entgegenstellt und
ihn erwürgt, der Riese den Zwerg.

So ist nach unserer Ansicht die richtige Lösung der Frage
von der Todesstrafe die geschichtliche. Da ist alles relativ; was
einmal gut gewesen ist, darum weil es zweckmässig war, ist
nun schlecht aus demselben Grund, weil es nicht mehr zweck«