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DIE SCHRIFT UND DIE TODESSTRAFE.
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schaffang zu fürchten oder zu hoffen? Das ist ein Punkt, den
wir zwar nicht in einem eigenen Ahschnitt behandeln, wohl
aber bei der Beantwortung jener vier Hauptfragen nie aus dem
Auge lassen werden.
CAPITEL I.
Was sagt die heilige Schrift zur Todesstrafe?
Die Stellen der Bibel, aus welchen die Vertheidiger der Todesstrafe
einen Beweis für das göttliche Recht derselben zusammensetzen
, sind vor allen Gen. 9:6; Evg. Mt. 26:52 und Off.
Job. 13:10, sämmtlich den Gedanken enthaltend, dass das Blut
dessen, der Blut vergiesse, wiederum solle vergossen werden,
ferner unzählige aus dem alten Testament, zumal aus seinen
Gesetzbüchern, welche es unzweifelhaft machen, dass die Todesstrafe
auf sehr mannigfaltige Vergehen gesetzt und oft vollzogen
worden ist. Ausdrücklich spreche auch Paulus Börner 13:1—4
der irdischen Obrigkeit das Becht über Leben und Tod zu, sage
er doch, dieselbe trage das Schwert und sie trage dieses Schwert
nicht umsonst, sie sei eine Dienerin Gottes, um gerecht strafend
seinen Zorn zu offenbaren. So habe selbst Christus Evg. Joh.
19:11 die Macht des Pilatus, ihn zu tödten, als eine von Gott
demselben übertragene betrachtet, und den reuigen Schacher entziehe
er desshalb nicht seinem Kreuzestod, weil derselbe dadurch
, dass er starb und wie er starb, seine Verbrechen habe sühnen
müssen 1); auch zeige Jesu eigener stellvertretender Tod,
dass Gott selbst auf die Sünde der Menschheit die Todesstrafe gesetzt
und dadurch diese als göttlichen Rechtes sanklionirl habe 2).
Für uns jedoch ist die Bibel kein Gesetzbuch, ihre Aussprüche
keine Paragraphen, die sich aus ihrem natürlichen Zusammenhang
reissen und zu beliebigen Schlachtordnungen formiren
Hessen. Wir erblicken in der Bibel ein geschichtliches Ganzes,
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