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geqov in Plan und Anordnung ziemlich treu wiedergeben, so dass
dieses Buch gleichsam die Wurzel aller jener Werke ist, werden
von nicht geringen Schwierigkeiten gedrückt. Der Verfasser
selbst freilich hält dieses Hauptresultat (S. 244) für unumstöss-
lich sicher und für ihn hat eine weitere Forschung nur noch
die Aufgabe, dasselbe in's Einzelne genauer zu verfolgen; aber
auch er wird eine nochmalige Revision wenigstens nicht für
überflüssig halten; denn je bedeutender die Schlüsse sind, die
von jenem Ergebniss her auf den geschichtlichen Verlauf der
Gnosis gemacht werden können, um so skeptischer muss dasselbe
auf seine Begründung hin geprüft werden. Hat schon
Justin den Marcion für einen der letzten Gnostiker gehalten,
so werden wir im Rechte sein, seinem System auch in der
Geschichte der Gnosis einen der letzten Plätze anzuweisen und
in demselben bereits eine Einlenkung in den Schooss der Kirche
zurück erkennen dürfen; giebt Epiphanius in seinen Nachrichten
zum Theil, wenn auch nur mittelbar, die justinische
Darstellung wieder, so wird uns nichts hindern können, diesen
Abschnitten seines Werkes als zeitgenössischen Berichten den
ersten Platz unter unseren Quellen zur Gnosis einzuräumen.
So bedeutsam sind die Consequenzen der Resultate von Lipsius
auch für den Geschichtsschreiber jener Epoche, ganz abgesehen
von dem literarhistorischen Werthe. der ihnen in jedem
Fall als einem glänzenden Ergebniss zukommen würde; denn
gelungen wäre es ihm das für unsere Kenntniss des Gnosticis-
mus wichtigste, leider verloren gegangene Werk, so nach Plan,
Anordnung, ja Inhalt zu reconstruiren, dass wir seinen Verlust
verschmerzen könnten.
Auf diesen Punkt hin wollen wir unsere Untersuchung
richten und die Fragen zu beantworten suchen, was enthielt
das justinische Syntagma für Ketzereien, in welcher Reihenfolge
behandelte es sie, wie fasste es die Gnosis Uberhaupt auf, in
wie weit liegt es den späteren ketzerbestreitenden Werken zu
Grunde. Wir sind zu dieser literarhistorischen Arbeit nicht
durch ein zufälliges Ungefähr gekommen, sondern mit einer
monographischen Untersuchung Uber den Gnostiker Marcion
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