Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., DA 12/3636
Harnack, Adolf von
Zur Quellenkritik der Geschichte des Gnosticismus: Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doctorwürde in der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig
Leipzig, [1873]
Seite: 15
(PDF, 19 MB)
Bibliographische Information
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Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



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sie nicht scharf und bestimmt genug hervorgehoben werden
kann. Diese Eigenart lässt sich aber auch als solche prä-
cisiren und in ihren bedeutsamsten Zügen erfassen: Es ist das
durchgreifende Bewusstsein von der Aufgabe, die ihm in seiner
Zeit zugefallen ist, durch welches er sich getragen und gehoben
fühlt. Ganz anders wie die Gnostiker, die ihren abstrusen
-esoterischen Speculationen folgend die christlichen
Massen weit hinter sich Hessen und ihnen als Psychikern eine
gewisse relative Berechtigung einräumten, fühlt er sich berufen
, eben in diesen Massen zu wirken und den Glauben, der
sie beseelte, zu reinigen und umzugestalten. Weil er davon
durchdrungen war, dass den Formen, in denen das katholische
Christenthum seiner Zeit sich ausgeprägt hatte, nicht nur keine
Berechtigung zukomme, sondern sie geradezu unchristlich, ja
widerchristlich seien, glaubt er sich erkoren, in reformatorischer
Weise unmittelbar auf die Urgeschichte des Christeuthums
wieder zurückzugehen und als einziger Wegweiser in Mitten
einer seiner Meinung nach in das Judenthum zurückfallenden

bestätigt. Tertullian ist, da er die ganze syrische Gnosis so gut wie
gar nicht erwähnt (siehe unsern Abschnitt zur Quellenkritik seiner
Ketzernachrichten), auch mit dem Namen gnostici sehr sparsam, ja als
terminus technicus im weiteren Sinn gebraucht er ihn nie. Schon durch
dieses argumentum e silentio lässt sich unsere oben aufgestellte Anschauung
erhärten, aber sie erfährt eine willkommene Bestätigung durch
die Thatsache, dass an den beiden einzigen Stellen, wo bei Tertullian
das Wort sich meines Wissens findet, nur die syrische Gnosis gemeint
sein kann und Valentinianer und Marcioniten direct ausgeschlossen sind.
Die Stellen finden sich adv. Val. c. 39 und Scorpiace 1 (Oehler in seinem
ungenügenden index rerum verzeichnet nur letztere Stelle, führt aber noch
de aniina 10 an, ein Citat, das jedenfalls auf einem Fehler beruhen muss,
um dessen Rectification ich mich vergebens bemüht habe).

Adv. Valent. heisst es zum Schluss: atque ita inolescentes doctrinae
Valentinianorum in silvas jarn exoleverunt Gnosticorum, welche Stelle
deutlich einen Unterschied von Valentiniani und Gnostici anzeigt und
Scorpiace 1 bestätigt dies: tunc Gnostici erumpunt, tunc Valentiniani
proserpunt, heisst es dort. Somit ist klar, dass noch zur Zeit des Tertullian
der Name „Gnostiker" nicht die umfassende Bedeutung hatte, die
wir ihm jetzt beilegen und es wird diese Beobachtung für die Classification
der gnostischen Systeme, vor allem für die richtige Auffassung
des Marcionitismus von nicht geringem Einfluss sein müssen.


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