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Beigebrachten das, was Justin im Allgemeinen von der Häresie
sagt, erschöpft, so bietet uns Capitel 35 doch noch eine Notiz,
die für die Gestaltung seines Syntagma's von der grössten
bereits angedeutet haben. Es dürfte nicht überflüssig erscheinenn, dieselbe
hier zusammenzustellen, ohne aber auf die schwierige Frage, in welchem
Verhältniss die einzelnen Gruppen zeitlich zu einander stehen, hier einzugehen
. Eine Gruppe bildet die an Simon und Menander sich anschliessende
Gnosis. Die Entstehung dieser /.ax tloy^v „gnostisch" genannten
Secten geht in Syrien vor sich, welches überhaupt in der ersten
Zeit das Centrun] aller christlichen Bewegungen gewesen ist, bis dieses sich
nach Kleinasien hinzog, um von der Mitte des II. Jahrhunderts an einen
dauernderen Sitz in Rom zu nehmen. Mit Recht hat Lipsius in seinem
Aufsatz über die ophitischen Systeme S. 417 Anmerk. 3 gegen Baxmann
Syrien als Vaterland der Gnosis festgehalten und an der ihm vorgeworfenen
„Antipathie gegen Aegypten" wird ein Jeder Antheil nehmen,
der vorurtheilslos untersucht, in welchen Punkten die jüdisch-alexandri-
nische Religionsphilosophie in der Geschichte der Gnosis von Einfluss
gewesen ist. Nach Meinung der ältesten Kirchenväter sind nicht christliche
Theosophen, sondern heidnische Goeten die Urheber dieser Bewegung.
Wann dieselbe sich mit christlichen Elementen versetzt hat und sich zu
einer wesentlich antijüdischen Speculation ausbildete, sagen sie nicht.
Nur soviel ist nach ihnen gewiss, dass nicht nur mittelbar christliche
Secten auf Simon und Menander zurückuehen, sondern, dass auch die
unmittelbar von jenen Männern abhängigen Secten, also auch die Simo-
nianer etc. selbst, christliche Theologumena aufgenommen haben. Dass
diese Theologumena einen stark antijüdischen Character zeigen und an
einzelne paulinische Lehrtropen erinnern, ist für die Simonianer bereits
lange nachgewiesen worden, wenn auch die weiteren Schlussfolgerungen
aus diesen Beobachtungen stark beanstandet werden können. Denkwürdig
wird hier immer das Wort bleiben, welches bei Trenaeus I 23, 3 dem
Simon von seinen Schülern in den Mund gelegt wird: secundum ipsius
gratiam salvari homines, sed non per operationes justas; nec enim esse
naturaliter operationes justas, sed ex accidenti, —so wenig wir der raschen
Schlussfolgerung von Lipsius a. a. 0. S. 80 Anmerk. 2 „es werde offenbar
unter der Maske des Simon Paulus selbst bestritten", beistimmen
können. Weiter aber lässt sich vor Allem aus Justin selbst Dial. c.
Tryph. 120 eine bisher übersehene Stelle beibringen. Justin sagt dort,
die Samaritaner nennen den Simon &iör vnkq «rw ndoijq e»£*iys ycü Uovaiat;
xal dvvdf.inj>c;. Dass hier Eph. 1, 21 von den Simonianern umgedeutet gebraucht
sei, liegt auf der Hand und bestärkt so unsere oben gemachte
Beobachtung. Bei Satornil bemerken wir, wie die ganze jüdisch-rabbinische
Auffassung von Gott, den Engeln, der Weltschöpfung, welcher, wie der Hirt
des Hermas zeigt, hie und da auch in christlich-katholischen Kreisen
gehuldigt wurde, zwar beibehalten, aber gleichsam um eine Stufe herabgerückt
wird und bemerken bei der Erlösungslehre des Satornil (Iren.
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