http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/harnack1873/0055
IV. Ueberblicken wir den Abschnitt I, 22, 2-27, 4, so
fällt zunächst auf, wie die ganze Exposition in den Gedanken
geklammert wird, alle Häretiker seien Schüler des Simon.
Dieser Satz beginnt 22, 2 die Ausführung und schliesst sie
27, 4*). Es lässt sich hier ziemlich sicher;vermuthen, dass dieser
Gesichtspunkt nicht von Irenaus erfunden ist, sondern dass
er ihn derselben Quelle verdankt, der er sein Material überhaupt
entnommen hat**). Zudem, wie auf den ersten Blick zu
sehen, passt derselbe gar nicht einmal auf alle von Irenaus
behandelten Ketzereien (z. B. die Ebioniten), während recht wohl
alle diejenigen Häresieen so aufgefasst werden konnten, deren
Namen wir in der ausgeschälten Grundschrift lesen. Auch
dieser Umstand stimmt trefflich mit der Annahme, dass Justin's
Syntagma die Quelle gebildet habe, überein und der Satz I 24, 4
Christi quidem Jesu nomen tamquam irritamentum proferentes,
Simonis autem etc. klingt wie ein Nachhall der uns im Justin
häufig begegneten Anschauung: die Gnostiker nennen sich selbst
Christen, sind aber keine Christen. (Vgl. vor allem Apol. I. 26
-jc/vreq ol dito tovtcov öüßoSfxevoi, tig e(p7]/usv^ Xoiariavot
xulovvxai ktX.). Der Fortschritt geht nun bei Irenaus so weiter,
dass an Simon zunächst als dessen successor Menander angeknüpft
wird und diesem unmittelbar Saturnin und Basilides
angefügt werden, weil sie seine Schüler seien und zwar zunächst
*) 22, 2. Quum sit igitur adversus omnes haereticos cletectio atque
convictio varia et nraltifaria, et nobis propositum est, omnibus iis secun-
dum ipsorum charactera contradicere; necessarium arbitrato sumus prius
referre fontem et radicem eorum, uti .... intelligas arboreni (seil. Siino-
nem), de qua defluxerunt tales fruetus. — 27, 4 Nunc autem necessario
meminimus ejus (seil. Marcionis), ut scires, quouiam ouines, qui quo-
quo modo adulterant veritatem et praeconium ecclesiae laedunt, Simonis
Samaritani magi diseipuli et successores sunt. Auch sonst ist dieser
Gedanke nicht selten.
**) Des Irenaus Gedanke ist es ja vielmehr, alle Ketzereien deshalb
aufzuführen, weil das valentinianische System eine recapitulatio omnium
sei Praef. ad. lib. IV, 1. Vergleiche den Schluss des ersten Buches: A
talibus matribus et patribus et proavis eos qui a Valentino sint . .. necessarium
fuit manifeste arguere etc. Dass dies aber nicht zeitlich zu
pressen ist und daraus allein nicht geschlossen werden darf, Valentins
Systein sei das letzte der gnostischen Systeme, ist selbstverständlich.
4*
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