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sachlich und zeitlich aus seiner genuinen Stellung gerückt
worden ist*).
Vortrefflich stimmt nun mit der letzten von uns vor
geschlagenen Hypothese die Art und Weise, wie Irenaus II,
31, 1 von den Häretikern zusammenfassend spricht. Irenaus
hat im Vorhergehenden ausführlich die Valentinianer widerlegt
und ist dabei auch hie und da auf andere Häretiker eingegangen.
Jetzt will er cap. ol den Nachweis liefern, dass mit lieber-
windung der Valentinianer auch alle anderen besiegt und ab-
gewiesen seien. Diesen Nachweis liefert er so, dass
er ihn nur für diejenigen Häretiker führt, die unserer
Meinung nach im justinischen Syntagma
standen; nämlich für Marcion, Simon, Menander,
Satornil, Basilides, Karpokras. Hiemit beruhigt
er sich vollständig, ohne des Cerinth's, der Ebioni-
ten etc. zu erwähnen. Das Bedeutsamste aber ist,
dass er hieb ei Marcion, Simon. Menander zusammen
- und voranstellt und dann die anderen folgen
1 äss t, g\anz s o, wi e es uns von Justin her bekannt ist.
Es ist dies gerade an einer Stelle, die gleichsam die Gesammt-
bilanz vorläufig ziehen soll, von doppelter Wichtigkeit.
Hiemit scheint uns die Annahme, Irenaus habe das justinische
Werk als Grundlage seiner Widerlegung benutzt, habe
es jedoch aus bestimmten Gründen in seinem ersten Buche
anders disponirt, auf den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit
erhoben zu sein. Die .Einwendungen aber, die gegen diese
unserer Meinung nach bei weitein wahrscheinlichste Lösung
*) Für das marcionitische System, worauf wir hier nur hinweisen
wollen, reicht die Annahme zweier Quellen bei Irenaus nicht aus; denn
1) hat er, wie schon die Hinweisung L 27, 3 vgl. III. 12. 12 zeigt, die Möglichkeit
gehabt, den Kanon des Marcion und seine Einwürfe gegen die
hergebrachte Exegese zu kritisiren und hat dies auch eingehend, vor allem
in dem vierten Buche seines Werkes gethan; mithin standen ihm Originalquellen
zu Gebot. 2) hat er die Widerlegung Marcion's von Seiten eines
kleinasiatischen Presbyters gekannt (Vgl. IV, 27 — 32). Dazu kommt
dann 3) und 4) das justinische Syntagma und die Schrift ngog MaQxiwva
und endlich benutzte er wohl 5) eine nicht mehr näher zu bestimmende
Quelle, die wohl nicht das Ursprüngliche über Marcion enthielt.
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