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, giebt. Keine einzige sachliche Bemerkung über die Systeme
lässt von cap. 7 an bei Tertullian sich nachweisen, die nicht
aus Irenaus geflossen wäre, ja das ganze Buch unterscheidet
sich dadurch specifisch von allen anderen ketzerbestreitenden
Werken Tertullian's, dass, während in diesen die Bekämpfung
der Häresieen die Hauptsache, die Darstellung
derselben reine Nebensache ist, hier gerade umgekehrt, die
aus Irenaus abgeschriebene Darstellung fast den ganzen Inhalt
des Werks ausfüllt. Nur die Einleitung cap. 1 — 4 enthält
selbstständige Beobachtungen und hier lesen wir auch zwei
Namen unter den Schülern des Valentin, die nicht bei Irenaus
zu finden sind: den räthselhaften Theotimus nämlich, den die
ganze Kirchengeschichte nur aus dieser Stelle kennt und den
auch in den Philosophumenen genannten Axionicus, das Haupt
der antiochenischen. dem Meister am treuesten gebliebenen
Schule. Woher Tertullian diese Namen kannte, kann natürlich
nicht mehr ermittelt werden. So unnöthiger Weise Tertullian
nach alledem mit verschiedenen Quellen prunkt, so wichtig
erscheint uns aber doch die Nennung jener drei anderen Schriften;
denn abgesehen davon, dass sie uns eineKenntniss des justinischen
Syutagma bezeugt, darf mit Eecht hier geschlossen werden,
dass er überhaupt alle diejenigen ketzerbestreitenden Werke
nennen wollte, die er kannte und die er bisher etwa benutzt
hatte. Dass er also ausserdem noch das Syntagma Hippolyts
sollte gekannt haben, dagegen lässt sich aus unserer Stelle ein
starkes argumentum e Silentio geltend machen*). Ist somit
*) Zuzugestehen ist, dass Tertullian mit Umsicht sich des irenäischen
Werkes bedient. So ist es ihm z. B. nicht entgangen, dass Iren. I. 1—10
nicht eigentlich das System des Valentin, sondern das seines Schülers
Ptolemaeus behandelt. (Vgl. ad. Val. 8, 19, 20, 33). Warum er aber dann
den Abschn. Iren. L 11, 1 übergeht, bleibt dunkel. — Jedenfalls ist die
Unterscheidung, welche Tert. c. 4 zwischen der Lehre des Ptolemaeus
und Valentin macht, nicht einer Vergleichtrag jenes Abschnitts mit dem
Abschnitt I. 1—10 bei Iren, entnommen, da Tert einen wesentlich anderen
Differenzpunkt annimmt. Weiter aber wird hier der Ort sein auf die
bisher noch wenig oder falsch erörterte - Heracleon-Frage einzugehen.
Bekanntlich hat bereits Tischendorf an verschiedenen Orten gegen Lipsius
(a. a. 0. S. 68 und 168) erinnert, dass Heracleon sich schon bei Irenaus
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