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die Schrift adv. Valent. lediglich von Irenaus abhängig, so
könnte man noch vermuthen, dass die vor Abfassung jener
Schrift von Tertullian über Valentin gebrachten Nachrichten
(II, 4, 1) erwähnt findet, obgleich er in der Darstellung der valentiniani-
schen Secte im ersten Buch fehlt. Tertullian nennt ihn nun bekanntlich
cap. 4. Aber die Erwähnung desselben dort stellt uns ein Problem, sofern es
einerseits das Wahrscheinlichste ist, die Nennung der Namen Ptolemaeus,
Heracleon, Secundus, Marcus sei, wie das ganze Werk, aus Irenaeus
geflossen, -während es andererseits nicht annehmbar zu sein scheint, dass
Tertullian den Namen des Heracleon aus der versteckten Stelle im
II. Buche hervorgeholt und den übrigen Namen der Schüler Valentin's
eingereiht haben sollte. Es könnte hier leicht die Vermuthung entstehen,
dass Tertullian diesen Namen schon im ersten Buche bei Irenaus gelesen
hat. Diese Vermuthung erhält Nahrung, wenn man die Art und Weise
betrachtet, in der Irenaus an jener Stelle II, 4, 1 den Heracleon einführt.
Irenaus will dem Valentin gegenüber den Nachweis führen, dass er durch
Annahme eines Vacuums, in welches auch das göttliche Pleroma hineingestellt
sei, zu Gottlosigkeiten und Absurditäten komme und stellt ihm
das Dilemma, das Vacuum sei entweder von irgend Jemandem hervorgebracht
oder aus sich selbst erzeugt. Sed si quidem emissum est
vacuum, vacuus et prolator est Valentinus, vacui et sectatores ejus. Si
autem non prolatum est, sed a se generatum est; et simile est et frater-
num et ejusdem honoris id, quod est vacuum, ei Patri, qui praedictus est
a Valentino: antiquius autem et multo ante exsistens et honorificentius
reliquis Aeonibus ipsius Ptolemaei et Heracleonis et reliquorum omnium
(so und nicht „reliquis omnibus," wie Stieren und Harvey wollen, ist zu
lesen), qui eadem opinantur. Es macht doch hier zweifelsohne den Eindruck
, dass dem Leser die Lehre des Heracleon bereits bekannt sei,
eine Lehre nämlich, nach welcher dieser Häretiker in derselben Weise
wie Ptolemaeus der Zahl der valentinianischen Aeonen noch eine Reihe
übergeordneter hinzugefügt habe. Von Ptolemäus wird im ersten Buche
uns dieses auch berichtet. Wenden wir nun unsere Aufmerksamkeit der
Darstellung der valentinianischen Schule bei Irenaus im ersten Buche zu,
so finden wir, dass an drei Stellen 11, 3: Ii, 5; 12, 3 von unterschiedlichen
Meinungen und Lehren einiger aus der Secte Valentin's gesprochen
wird, ohne dass bestimmte Namen genannt werden. Vor allem könnte
man 11, 3 vermuthen, dass der alius, qui et clarus est magister Niemand
anders als Heracleon sei; denn diesem alius wird zugleich eine Lehre
ugeschrieben, die auffallend gut mit der kurzen Charakteristik der hera-
cleonischen Lehre in II, 4, 1 übereinstimmt, sofern es sich um eine Hin-
zufügung von neuen Aeonen über die valentinianischen hinaus dort handelt
. Vielleicht hat also noch im Exemplar, welches Tertullian benutzte,
dort Heracleon gestanden und das alius brauchte dabei gar nicht gefehlt
zu haben, da ja auch I, 13 Marcus mit den Worten eingeführt wird: alius
vero quidam ex iis, qui sunt apud eos, magistri emendatorem se esse
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