Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., DA 12/3636
Harnack, Adolf von
Zur Quellenkritik der Geschichte des Gnosticismus: Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doctorwürde in der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig
Leipzig, [1873]
Seite: 73
(PDF, 19 MB)
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in der Form; so dass auch an dieser Stelle das bei Simon und
Menander Gesagte seine Geltung zu haben scheint. — Der
zweite Ort, an welchem Tertullian auf Karpokras zu sprechen
kommt, ist De anima 35, wo er Karpokras an Simon anschliesst,
pariter magus, pariter fornicarius (vgl. Irenaeus I, 25, 3) etsi
Helena minus." Er handelt hier von dessen Seelenwanderungslehre
und die verhältnissmässig ausführliche Darlegung und
Widerlegung derselben lässt noch klar erkennen, dass sie ihm
in einer Gestalt vorlag, die von der Irenaeus I, 25, 4 berichteten
in keiuem Punkte sich unterschied. Eine directe Abhängigkeit
von Irenaeus wird allerdings hier sehr wahrscheinlich;
denn Tertullian führt unter Anderem auch die karpokratianische
Beweisstelle für die Metempsychose (Luc. 12, 58 — Matth. 5,
25) an: diese Stelle aber selbst sowohl als ihre Auslegung bei
den Karpokratianern wird von Irenaus durch ein wiederholtes
„dicunt" eingeführt, so dass dort der Schluss nahe liegt. Irenaeus
habe sie aus den gleich darauf erwähnten Syngrammaten
der Karpokratianer geschöpft. Sind diese aber die Quellen, so
muss, da eine Benutzung derselben auch von Seiten Tertullians
anzunehmen abenteuerlich wäre, Tertulliau hier aus Irenaeus
geschöpft haben. Diesem zwingenden Schlüsse könnte man sich
nur dann entziehen, wenn es gelänge, nachzuweisen, dass Irenaeus
selbst nicht direct aus den Syngrammaten mehr schöpfte,
sondern in seiner Quelle sie als citirt vorfand und das Citat
abschrieb. Doch reichen, um dieses zu entscheiden, unsere
Quellen nicht aus, und so ist ein Urtheil mit Sicherheit hier
nicht mehr möglich*).

*) Bemerkenswerth ist, dass die Schilderung der karpokratianischen
Ethik, wie sie Irenaeus I, 25, i u. 5 vgl. II, 32, 3 giebt, in einzelnen
Theilen fast wörtlich mit dem stimmt, was Justin Apol. I, 2S u. 43 an
eine nicht näher angegebene Adresse, Apol. II, 7 u. 9 aber ganz deutlich
an die Stoiker richtet und über sie mittheilt. Bis auf das Genaueste
(Vgl. auch Tertullian de anima 35) stimmt besonders jene Notiz, die Tertullian
und Irenaeus über die Karpokratianer, Justin über die Stoiker
bringt, dass ihnen Gut und Böse nur relative Begriffe seien. Wie diese
auffallende Erscheinung zu deuten ist, wage ich nicht zu entscheiden.


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