Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., DA 12/3636
Harnack, Adolf von
Zur Quellenkritik der Geschichte des Gnosticismus: Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doctorwürde in der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig
Leipzig, [1873]
Seite: 78
(PDF, 19 MB)
Bibliographische Information
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Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



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valentinianische System z. B. hervorgerufen wäre ? Hier kann es
nur eine Antwort geben: Die Systeme eines Valentin, Basi-
lides, Satornil müssen damals eben erst hervorgetreten sein, als
Justin sein Syntagma, seine Apologie schrieb und werden damals
noch die Bedeutung nicht gehabt haben, die sie in der
Folgezeit weit über andere Richtungen emporhob. Freilich ist es
• heutzutage ein fast ketzerhaftes Unterfangen von einer Zeit zu
sprechen, da Marcion geblüht, Valentin und Basilides erst geknospt
haben sollen: sind aber unsere bisher aufgestellten Resultate
richtig, dann dürfte wenigstens Grund genug vorhanden sein,
die chronologischen Daten, auf welche hin man die Zeit Marcions
herabrücken zu müssen ineint, noch einmal zu revidiren. Unseres
Erachtens lassen sich aus der Literatur der nächsten Jahrhunderte
gewichtige Argumente beibringen, welche die Ketzerliste
Justin's als chronologisch richtig erhärten, und dafür sprechen,
dass zwar die antinoinistisch-syrische Gnosis die älteste Gestalt
der Häresie ist, dass "aber die uns bekannten Systeme eines
Satornil und Basilides später, als z. B. das des Marcion, aufgetaucht
sind*)".

Unter der Voraussetzung aber, dass hauptsächlich Simon,
Menander, Marcion von Justin eingehend behandelt worden sind
(dass er die ophitischen Secten, wie sie Irenaeus schildert und
widerlegt, jedenfalls nicht kannte, zeigt die Unbefangenheit,
mit der er Apol. I. 27 f. über den heidnischen Schlangen-
cult spricht) — erklärt sich auch das sonst so räthselvolle, frühe

*) Der Umstand freilich könnte im Justin Bedenken erregen und
einen Verdacht gegen die chronologische Richtigkeit seines Ketzerkatalogs
erwecken, dass Simon, Menander, Marcion, die er "zusammenstellt,
sachlich seiner Meinung nach zusammengehören. Allein vorschnell ist es
die Classification als chronologisch richtig deshalb zu beanstanden, weil
sie ja durch sachliche Gründe motivirt erschiene. Und alle Zweifel werden
dadurch beseitigt, dass eben ein Eindruck, wie ihn das valentinianische
System z. B. auf Irenaeus gemacht hat, bei Justin noch nicht
nachweisbar ist. Ferner lässt sich die Thatsache, dass Marcion unter
einen Gesichtspunkt gestellt wird, der ihn dem Simon verwandt erscheinen
lässt, ausreichend gar nicht anders erklären, als durch die Annahme einer
Zeit der Wirksamkeit des Marcion, die der Zeit der grossen gnostischen
Systeme vorhergeht.


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