Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., DA 12/3636
Harnack, Adolf von
Zur Quellenkritik der Geschichte des Gnosticismus: Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doctorwürde in der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig
Leipzig, [1873]
Seite: 80
(PDF, 19 MB)
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80 —

Eeich der Geschichte und die Welt der Natur, Himmel und
Erde, Gott und Mensch — Alles ist von ihrem phantastischen
Gedankenspiel in eine sinnvolle Beziehung- gesetzt und keine
Erscheinung giebt es mehr, die nicht als bedeutsamer Ton in
der grossen, dahinrauschenden Weltfuge ihre nothvvendige Stellung
hätte.

Was diese Speculation jedoch an Umfang, Höhe und Tiefe
in raschem Sich-Entfalten gewonnen: sie musste es durch den
Verlust an Kraft und zündender Wirkung büssen, der als das
negative Complement mit jenem positiven Wachsthum Hand in
Hand ging. Was sie zu einem lebendigen Factor in der Ge_
schichte des Christenthums zur Zeit ihrer ersten Blüthe gemacht
hatte, es war die schroffe Antithese gewesen, mit der sie herrschenden
Dichtungen bestimmt entgegentrat; ihre Stärke beruhte
in der Festigkeit und Schärfe ihres Gegensatzes auf den Gebieten
des realen Lebens.

Aber der dichtenden Phantasie und der tiefsinnigen Speculation
wachsen die Flügel: sie schwingt sich aufwärts, weit
hinaus über den Boden des wirklichen Geschehens, weit hinaus
über die Kämpfe der ringenden Zeit. Dadurch enthebt sie sich
selbst der Aufgabe Antheil zu nehmen an dem Streit der Parteien
. Das Schwert, das sie selbst eine Zeitlang- geschwungen,
hat sie weggeworfen; nicht ziemt es dem iUles begreifenden
Weisen mit Gewalten nutzlos zu streiten, deren unveränderliche
Natur es mit sich bringt, das Wahre nur unter der Form des
Wirklichen, das Göttliche nur in der Hülle des Sinnlichen, das
Gute nur unter der Autorität des Gebotes erfassen zu können.
Die Aufgabe dieser Speculation kann es vielmehr nur noch sein,
durch die reine Selbstdarstellung gleichbegabte und gleichgestimmte
Seelen heranzuziehen.

Und in der That: zunächst und auf eine Zeit lang wirkte
sie gerade in dieser Gestalt blendend auf die Gemüther! Staunend
und bewundernd blickte man auf ihren stolzen Flug und
nicht Wenige suchten, begeistert mit fortgerissen, sich zu ihr
zu erheben. Aber nur eine Zeit lang dauerte dieser Taumel.
Unwillkürlich wandte man sich dem festen Boden wieder zu,


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