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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/heer1855-1/0017
Einleitung.

Ii

höhere und zwar wiederkauende Thiere gebunden ist und sie voraussetzt. Ich konnte daher schon vor
mehreren Jahren*) solche Thiere für Oeningen voraussagen, welche Voraussage bald darauf durch das
Auffinden einer Hirsebart (Palaeomeryx eminens H. v. M.) in Erfüllung ging. Sehr wahrscheinlich haben
aber noch mehr solcher Thierarten und auch welche aus der Gattung Bos dort gelebt, da mehrere daselbst
vorkommende Insektenformen in der Jetztwelt an diesen Thiertypus gebunden sind. Es verdient dieses um
so mehr der Beachtung, da diese Gattung in der Molasse noch nirgends aufgefunden worden ist.

Dieses alles berechtigt uns zu dem Schlüsse, dass es schon damals krautarlige Triften gegeben haben
müsse, welche diesen wiederkauenden Thieren zur Nahrung gedient haben. Ueber die Beschaffenheit der
krautartigen Vegetation erhalten wir indessen auf diesem Wege keinerlei Aufschluss. Einige Winke geben
uns aber auch in dieser Richtung die Insekten. Viele sind nämlich an bestimmte Pflanzenarten gebunden
und lassen uns daher auf sie zurück schliessen. Wenn schon die Arten der Vorwelt verschieden sind, sind
sie doch den jetztle|>enden analog und lassen darum solche Vergleiche und Schlüsse zu. In meiner Abhandlung
über die Rhynchoten der Tertiärzeit (cf. Mittheilungen der Zürcher naturforschenden Gesellschaft 1853
S. 185) habe ich darauf hingewiesen, dass die Cicada Emathion eine Eschenart in Oeningen erwarten
lasse, obwohl diese Baumgattung bis dahin in unserer Tertiärflora noch nicht aufgefunden worden war;
in diesen Tagen aber ist sie in einer sehr schönen Frucht dort entdeckt worden. Aus dem Vorkommen
des Lixus rugicollis in Oeningen, habe ich ferner seiner Zeit (cf. meine Tertiärinsekten I. S.
192) geschlossen, dass es am Oeningersee Sumpfdolden gegeben habe, und in der That sind seither drei
Arten dort entdeckt worden; mit demselben Rechte lässt uns aber weiter die Cassida Hermione und Gla-
phyrus antiquus auf Disteln, die Clytra Pandorae auf eine Kleeart, der Pachymerus oblongus auf Echium,
der Lygaeus tinetus auf eine Pflanze aus der Familie der Asclepiadeen, die Lema vetusta auf eine Lilie
zurück schliessen, obwohl diese Pflanzenformen bis jetzt noch nicht anderweitig nachzuweisen sind.

So überzeugen wir uns, dass auch die krautartige Vegetation jener fernen Zeit nicht gefehlt habe,
wenn es auch jetzt noch nicht möglich ist, ihr Verhältniss zur Holzvegelation zu bestimmen. Es gilt dieses
jedoch nur von der Artenzahl; denn dass durch die Individuenzahl die Waldbäume dominirt haben, dürfte
ausser Zweifel sein. Sie werden die Physiognomie der Landschaft voraus bedingt haben und da wir eine
so grosse Zahl derselben kennen, dürfen wir uns mit der Hoffnung schmeicheln, durch Darlegung der uns
bis jetzt bekannten Tertiärflora ein Bild vom Aussehen unseres Landes in jenen fernen Zeiten zu gewähren.

Aus dem grossen Baumreichthume dieser Zeiten haben wir schon früher geschlossen, dass das Klima
damals wärmer gewesen sei als gegenwärtig. Wir können uns aber noch bestimmter darüber aussprechen.
Es wird zwar die Ausmittlung der klimatischen Verhältnisse jener Zeit sehr erschwert durch die auffallende
Mischung von Pflanzen und Thierformen verschiedener Weltgegenden, die unter solchen Verhältnissen gefunden
werden, dass sie nicht aus grossen Entfernungen zusammengeschwemmt sein können, sondern auf
Einem Areal beisammen gelebt haben müssen. Allein betrachten wir den ganzen Complex von Pflanzen und
Thieren der untern Molasse, können wir wohl nicht anstehen, ihr ein subtropisches Klima**) zuzuschreiben.
Wir müssen um etwa 15 Grade südlicher gehen, um einen ähnlichen Naturcharakter zu finden. Allein es
ist merkwürdiger Weise nicht die alte Welt, welche in diesen Breiten uns die meisten ähnlichen Formen
zeigt, sondern Amerika; wir müssen nach Neu-Georgien, Florida und Louisiana gehen, oder in die Gegend
von Neu-Orleans, um eine allbekannte Station zu nennen, um die meisten analogen Formen zu finden.
Nicht nur hat unsere Tertiärflora mehrere Gattungen, die ausschliesslich in Amerika vorkommen, so die

*) Man. vergl. Die Insektenfauna der Tertiärgebilde von Oeningen und Radoboj. II. 1847. S. 64.

**) Auf der südlichen Hemisphaere gibt es Gegenden, in welchen einzelne Tropenformen bis in die gemässigte Zone vorgeschoben sind
und ebenso steigen am Himalaya Fächerpalmen (Ghamaerops Khasyana Griff.) und baumartige Gräser (Arandinarien) bis in die Region der Nadelhölzer
hinauf. Darum werden wir unserem Tertiärlande wegen der Fiederpalmen und anderer acht tropischer Gattungen von Pflanzen und
Thieren noch kein Tropenklima geben dürfen. Dagegen weist der Gesammtcharakter der tertiären Pflanzen- und Thierwelt unzweifelhaft auf
ein wärmeres Klima hin, als wir es jetzt bei uns haben.


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