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Beschreibung der Tertlärpflanzen der Schweiz.
ERSTE KLASSE. CRYPTOGAMEN.
Erste Ordnung. Fungi. Pilze.
Bei dem grossen Reichthume an holzartigen Pflanzen, welcher die Tertiärzeit auszeichnet, lässt sich
erwarten, dass auch die Pilze da nicht gefehlt haben; da sie im Schatten dieser feuchten Urwälder alle
Bedingungen zur Entwicklung finden mussten. Von der so unendlich grossen1 Zahl von Fleischpilzen, die
wir in der Jetztwelt in unsern Wäldern erblicken, sind indessen bis jetzt noch keine Repräsentanten gefunden
worden; ohne Zweifel werden diese weichen, fleischigen Organismen zur Erhaltung sich nicht geeignet
haben. Dass sie aber im Tertiärwalde nicht gefehlt haben, das beweisen die vielen Pilzmücken, wie auch
Pilzkäfer, welche aus dieser Zeit auf uns gekommen sind und nicht zweifeln lassen, dass zahlreiche Fleisch-
pilze auch im Schatten der tertiären Wälder gewuchert haben.
Während wir von den tertiären Fleischpilzen nur indirekte Kunde erhalten haben, sind dagegen die
Blattpilze in einer Zahl von Arten auf uns gekommen und beweisen, dass die Pflanzen schon damals von
ähnlichen Schmarotzergebilden heimgesucht wurden. Die Bestimmung derselben ist aber schwierig, da eine
microscopische Untersuchung des Inhaltes der Früchte nicht möglich ist. Die Form und Stellung derselben
und die Veränderungen, die manche Arten in dem umgebenden Gewebe hervorgebracht haben, geben uns
indessen, mit dem Vorkommen, doch die Mittel in vielen Fällen die analogen Arten der Jetztwelt aufzufinden
. Wohl zu beachten haben wir übrigens, dass nicht alle Flecken, welche wir auf den Blättern finden,
von Pilzen herrühren; manche sind als zufällige Bildungen zu betrachten, andere sind durch Insekten entstanden
.
Die mir bis jetzt bekannt gewordenen Pilzarten vertheiien sich auf drei Familien und neun Gattungen.
Sie lebten auf 15 verschiedenen Pflanzengaltungen; es kommen auf die Pappeln 7, auf die Ahornarien 5
auf die Eichen 3, auf die Schilfblätter 2 Arten; je eine Art wurde auf Smilax, Cornus, Celastrus,
Daphnogene, Eugenia, Dombeyopsis, Rbus, Podocarpium, Caesalpinia, Pteris und dem Stengel einer
unbekannten Pflanze gefunden. Die Pappel, Ahorn und Eichenblätter sind auch in der Jetztwelt
mit zahlreichen Pilzformen besetzt, ein Verhältniss, das sonach schon in sehr früher Zeit bestanden hat.
Beachtenswerth ist dabei, dass grossentheils die lebenden Typen auf den entsprechenden Baumarten wiederkehren
; die fossilen Pappelblätter haben vier Arten, denen ganz ähnliche Arten der jetztlebenden Pappeln
entsprechen; die fossilen Eichenblätter zwei und ebenso die Schilfblätter zwei, denen lebende analog
sind. Dagegen sehen wir auf den tertiären Ahornblättern zwei eigentümliche Typen (Depazea picta und
Hysterium), welche bisher noch nicht auf den lebenden gefunden wurden, während die zwei Phyllerien
lebhaft an die Ahornblattflocken der Jetztwelt erinnern. Der Pilz des Sarsaparillenblattes ist auf den
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