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Scaleni und Longi des Halses.
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hinten der ganzen Länge nach anliegen und besonders am Nacken eine bedeutende
Mächtigkeit haben. Diese halten den Nacken mit dem Kopfe aufrecht
oder biegen ihn rückwärts, jene vorwärts. Dies ist eins der evidentesten Beispiele
dafür, dass Muskeln, die einander entgegengesetzt auf einen Theil des
Skeletes wirken, oder Antagonisten durchaus nicht gleich stark zu sein brauchen,
weil sie ja nicht dazu da sind, einander zu bekämpfen und die Wage zu halten,
sondern abwechselnd verschiedene Lasten zu halten oder zu bewegen. So hier
die Nackenmuskeln den Kopf in aufrechter Haltung, wozu nicht wenig Kraft
gehört, weil sein Schwerpunkt in dieser Lage stark nach vorn über dem Ende
der Wirbelsäule, auf dem er ruht, überhängt. Zu der entgegengesetzten Wirkung
giebt es dagegen im Leben keine Veranlassung irgend einer grösseren
Last gegenüber.
Dieser schmale und dünne Muskelstreifen, dazu mehr sehnig als fleischig,
erfüllt die schwache Vertiefung, welche am Skelet noch zwischen der Mitte der
Halswirbelsäule und ihrem Seitenrande, d. h. also zwischen der Mitte der Körper
und der Reihe der Vorderecken ihrer Querfortsätze bleibt, und indem er dieselbe
ausgleicht und der ganzen Säule fest anhaftet, trägt er zur Ergänzung
ihrer platten Vorderfläche, an welcher die Halseingeweide anliegen, bei. Oben
sitzt er mit breitem Ende an der Schädelbasis dicht vor der Gelenkverbindung1
zwischen ihr und der Massa lateralis des Atlas. Von da zieht er in gleichbleibender
Breite entlang der Reihe der Querfortsatzecken bis zur VI. hinab,
um vorn zugespitzt auf die Körper der obersten Brustwirbel hinab auszulaufen.
Hier divergiren also sein Ende und der Rand des Scalenus anticus unter dem
VI. Querfortsatze und begrenzen einen nach oben offenen spitzen Winkel, in
dessen Grunde der zurückweichende VII. Halswirbelquerfortsatz, der Hals der
I. Rippe und die Spitzen der Lunge (Brusthöhle) liegen. In der Mitte zwischen
dem linken und rechten Strange der Longi bleibt ein Streifen von der Säule
der Wirbelkörper mit ihren Syndesmosen unbedeckt.
Der ganze Strang zerfällt nach der Insertion der Bündel, die ihn zusammensetzen
, in drei Portionen: Longus colli mit oberen und unteren Insertionen
nur an Brust- und Halswirbeln bis hinauf zur II. hat seine grösste Breite in
der Höhe des VI.; Longus atlantis, ein schmaler Streifen zwischen dem
vorigen und dem folgenden, zieht schräg vom VI. Querfortsatze zur Mitte
des vordem Bogens am Atlas; Longus capitis von den oberen Querfortsätzen
nach oben zu dem dicken Ende anschwellend, welches die Massa lateralis des
Atlas deckt und sich vor ihr an die Wirbelsäule inserirt. Von ihm bedeckt
geht auch ein kleiner vorderer Rectus vom vordem Rande des Atlas und
weiter seitwärts Rectus lateralis vom Querfortsatze des Atlas zur Schädelbasis
hinauf.
Der Rectus capitis kann ausser der allgemeinen Wirkung auf Biegung der
Säule mit dem Kopfe auch noch etwas, aber nur mässig auf Drehung des Kopfes
um die senkrechte Achse wirken und zwar (vielleicht einzig in seiner Art) sogar
abwechselnd in entgegengesetztem Sinne, indem er bei gerader Stellung des
Kopfes nach vorn auch am geradesten vor dem obem Ende der Wirbelsäule
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