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Kurze Schulterblattmuskeln.
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berculmu minus und majus. Das erstere sieht gerade nach vorn, das letztere
hauptsächlich nach hinten, ragt aber auch seitwärts und oben auf die Vorderfläche
herüber. Der Gelenkkopf aber liegt nun von vorn gesehen etwa mit der
Hälfte seines Halbkugelumfanges in der Pfanne; mit der andern Hälfte überragt
er sie nach oben und sieht auch vorn und hinten noch aus ihr heraus.
Diese grossen Ueberschüsse der Grösse des Kopfes über die der Pfanne
bedingen nach allgemeiner Regel (s. o. S. 13) den grossen Spielraum der Bewegungen
in der Schulter um alle Achsen, welche durch den Mittelpunkt der Kugel
gehen, z. B. die Erhebung des Armes seitwärts von der hängenden bis zur
horizontalen Lage (ohne Mitbewegung der Schulter s. o. S. 72). Dabei tritt
statt der untern die obere Hälfte des Halbkugelumfanges, die zuvor oben herausgesehen
hat (Tat. XXVI), in die Pfanne ein und statt dessen nun die untere
nach unten aus ihr heraus (Taf. XXVII). Dasselbe geschieht vorn und hinten
mit ein- und austretenden Stücken des Gelenkkopfes, wenn sich der herabhängende
Ann um seine senkrechte Achse dreht; der anatomische Hals und die
Tubercula nähern sich dem Bande der Pfanne, oder entfernen sich von ihm.
Zwischen den Bändern beider Gelenkflächen, Kopf und Pfanne, ist nun eine
Gelenkkapsel ausgespannt, welche sich hart am Bande derselben inserirt; nur über
dem Suicus intertubercularis springt sie von Band zu Band desselben über und
die Spalte des Gelenkes communicirt, unter ihr durch, mit der Rinne oder
Sehnenscheide im Sillens (s. u. beim Biceps). Die Kapsel muss sich nun aber,
wenn so grosse Stücke des Gelenkkopfes rings um die Pfanne bald aus ihr hervor
, bald in sie zurücktreten, auch ringsum abwechselnd bald über diesen austretenden
Stücken glatt ausspannen (XXVI. XXVII), bald zwischen den aneinander
herantretenden Rändern in Palten schlagen (XXVI. XXIX), ist überhaupt
sehr schlaff und in mittlerer Lage ringsum nirgends gespannt. Das
Schultergelenk hat im ganzen Umfange seiner Kapsel gar keine namhaften
Bänder; sie trägt in mittlerer Lage so gut wie nichts zur Erhaltung des festen
Schlusses im Gelenke bei, weil sie ringsum so schlaff ist, dass sie einer Entfernung
der Knochen von einander gar keinen Widerstand leistet und sich in
blossgelegtem Zustande selbst mit Falten in den leeren Baum einstülpen könnte,
der durch die Entfernung entsteht.
Hier treten nun die Enden der kurzen Muskeln, welche in den Eossae des
Schulterblattes entspringen und sich an den Tubercula inseriren, ergänzend ein
und vertreten, neben ihrer Wirkung, am Gelenke zugleich die Stelle der Bänder,
welche dasselbe zusammenhalten. Indem sie, jeder auf seiner Seite, den Band
der Pfanne überschreiten und sich über die Spalte des Gelenkes hinweg an die
Tubercula ansetzen, ist ihnen die Aussenseite der Kapsel zwischen Pfanne und
Rand der Tubercula fest angewebt und. indem sie sieh über ihr fast genau aneinander
drängen, bilden sie mit einander eine starke Verdickung rings um
dieselbe. Indem sodann die Bänder des Kopfes vor denen der Pfanne hervor,
oder in sie eintreten, müssen sich auch diese sehnigen Enden der Muskeln zugleich
über ihnen ausspannen, oder aber von ihnen zurückziehen. Das letztere
ist nun aber bei den Muskeln nicht, wie bei der schlaffen Kapsel, mit Falten-
Henke, Handatlas. I. 6
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