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HERMES.
HERME TIK. 45
Hauptsitz wurde , Hatte Mystik
unter den Griechen nicht viel
Raum gewonnen, JPythagoras
und Einige seiner ersten Schüler
fiengen zuerst an, in mystischem
Tone zu reden, und von
Offenbarungen sich Manches
entfallen zu lassen. Xenophon
nennt defswegen die Pythago»
rische Lehre eine wundervolle
Weisheit'* und nach glaubwürdigen
alten Zeugnissen sprach
Pythagoras von Göttererscheinungen
u. aufserordentlichenOf-
fenbarungen. — Allein, unter
den Philosophen wurde Diefs
weder allgemein; noch dauerte
es lange. Der Philosoph, zu
sehr Freiheit athmend , und
theils durch geraden Menschenverstand
zu sehr geleitet, suchte,
durch eignes NachdenkenWahr*
heit auszumitteln. Dazu kam,
dafs man von ihm Beweise verlangte
und er folglich in dem
Vorrathe seiner eigenen und anderer
gewöhnlichen Begriffe
tief nach ihnen forschen mufste.
Wer aber sich mit gründlichem
Raisonnement und ernstlichem
Forschen nach Wahrheit beschäftigt
, Dessen Einbildungkraft
wird nicht mehr Thatig-
keit genug zu Entzückungen behalten
können."
„Ein Land, wie Ägypten,
voll des blindesten Aberglaubens
, seit Jahrhunderten durch
Priesterkünste mit Geheimnissen
und Götter er scheinungen erfüllt
, —* dessen ganze Luft
Nichts, als blinden Enthusiasmus
, duftete, konnte nun den
Geist der Schwärmerei wiederbeleben
. Sobald Minerva in
Alexandrien ihren Thron aufgeschlagen
u. der JPtolemäerFxei-
gebigkeit Gelehrte dahin gelockt
hatte, Heng die griechische
Weisheit an, um ägyptischen
Beifall zu buhlen. Angesteckt
von des Landes Luft, nahm sie
allmählich der EinwohnerFarbe
an sich, kleidete sich in ägyptische
Ausdrücke und suchte,
sich mit ägyptischen Vorurthei-
len zu vereinen. Daher fiengen
die neuern Platoniker nach und
nach an, den schwärmerischen
Theil von ihres Lehrers Verlassenschaft
, vorzüglich anzuwenden
, ihn mit Zusätzen aus ägyptischen
Tempeln,zu vermehren,
und von Erscheinungenund
Beschwörungen der Geister zu
reden."
„Die Liebe zum Wunderbaren
wurde durch die immer
stärkere Ausbreitung des Chri-
stenthums noch mehr angefacht,
L>a die Philosophen sahen, dafs
dieses neue System dem ihrigen
gänzlichen Umsturz drohte, —■
dafs Wunder vorzüglich Pros.e-
lyten machten; so durchsuchten
sie eifrig den ganzen Wust von
Priesterfabeln, um sich, wo
möglich, auch zu Wündertha-
ten emporzuschwingen. Halte
Menschen Vernunft ward ihnen
zum Ekel ; und konnten sie
aufser sich kein Wunder wirken
, so erfüllten sie wenigstens
ihre Einbildungkraft mit Erscheinungen
, Anschauen und
Offenbarungen, deren Wirklichkeit
* ihnen so leicht nicht
streitig zu machen war. Hierzu
kam noch der Eifer, dem
Christenthume wenigstens dadurch
Abbruch zu thun, dafs
sie dessen Achtheit verdächtig'
machten und es aus uralten und
ehrwürdigen Quellen herleiteten
. Man nahm also Einige
von dessen hervorstechenden ü.
auffallendsten Lehren, versetzte
sie mit philosophischen Ideen
und stellte sie dem Volke als
längst von Hermes vorgetragen
dar."]
Hermetix, Herpetisch ;
$. Alchimie.
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