http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/hesse1824/0079
56 HIEROGLYPHEN.
HIEROGLYPHEN.
gemein mitzutheilen, — die
Noth wendigkeit, dem Volke
bleibende Gesetze bekannt zu
machen, gewisse Begebenheiten
der Nachkommenschaft zu
überliefern, leitete die Väter
aller Völker , die PhÖnicier,
JSthiopier, Mtrurier , Inder, die
Scythen im Norden, die Chinesen
im Orient, die Mexicaner
gegen Abend, auf den Einfall,
sich gewisser Figuren zu bedienen
, deren Sinn allgemein angenommenwar
, und die als ein
"bekanntes Vorstellungzeichen
des Wortes, das sie ausdrücken
sollten, galten. Der Scharfsinn
der Agyptier brachte es darin,
sowie in jeder andern Wissenschaft
, in Kurzem auf einen
Iiohen Grad; und Jedermann
wufste sich in der Malereischrift
geläufig auszudrücken. Sie ergriffen
die Kreide oder den
Meissel , zeichneten auf Holz
oder gruben in Stein die Gestalt
eines Thieres", einer Pflanze
oder anderer Dinge;— und die'
Vorübergehenden lasen mit Fertigkeit
den nach der allgemeinen
Verabredung unter diesen
Bildern gelegenen Sinn. In dem
Vorhofe des Tempels zu Sais
sah man ein Kind, einen alten
Mann, einen Geyer, einen Fisch
und ein Meerpferd eingegraben
; —- und Keiner war, der
nicht den warnenden Zuruf der
Priester Verstand: Ihr , die
ihr in die Welt tretet und wieder
hinausgehet, wisset, dafs die
Götter die Unverschämtheit hassen
."" So erkannte jedeFamilie
die Körper ihrer Voreltern an
den auf den Mumien gezeichneten
Figuren und verewigte die
Thaten derselben durch die auf
ihren Bildsäulen eingegrabenen
Zeichen. "
„Diese Bilder aber jederzeit
auszumalen, niufste nothwendig
beschwerlich fallen« Was
war daher natürlicher, als sie
abzukürzen und, statt Figuren,
nur die Umrisse, die ersten und
leichten Linien derselben, hinzuzeichnen
! Ein Zirkel wurde
das Bild der Sonne und ein halber
Zirkel das Bild des Mondes.
Diese Schriftart war gleichsam
ein Mittelding zwischen der
Bilderschrift und der Buchstabenschrift
. Warhurton (in der
göttlichen Sendung Mosis
Th. 2, Büch 4, Abschnitt 4)
nennt sie die hieroglyphische
Currentschrift.(C
,,Eine so nützliche Erfindung
konnte dem allgemeinen Gebrauche
nicht vorenthalten werden
. Gleichwol mufsten die
Priester ihre Kenntnisse vor den
Profanen verbergen. Sie erfanden
also für sich andere Schriftzeichen
, die der Schriftart des
Volks zwar ähnlich, aber nicht
einerlei mit derselben waren.
Jene heifst Herodot die epistoli-
sche - und diese die hierogrammatische
Schriftart. Um letztere
noch unverständlicher zu machen
, gaben sie jedem Zeichen,
nebst dem gewöhnlichen, auch
noch einen mystischen Sinn,
den nur der Eingeweihte zu erklären
wufste. Der Profane sah,
z. B., in dem Bilde oder dem
Zeichen der Sonne und des Mondes
den Osiris und die Isis: im
mystischen Verstände aber war
die Sonne die oberste einzige
Gottheit, die Urquelle alles Guten
, und der Mond das Bild der
Allmacht des Schöpfers ; und
oft deutete das Zeichen der Sonne
den Geist und die Feuertheile,
das Zeichen des Mondes hingegen
die Wasser- und Erdtheil-
chen, an, welchen, als den
wirkenden Ursachen der ganzen
Zeugung, nach ihrer Lehrart
, die Luit ihr Daseyn verdanke
. (S. „Diodori Sic. Bibl."
Lib. I, cap. n!) Die Priester
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/hesse1824/0079