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MYSTERIEN
MYSTERIEN. 539
weihten das Allerheiligste, das
den Profanen verschlossen war,
und liefs sie Bildnisse von
Gottheiten anbeten, die den
"eingeweihten stets unzugänglich
blieben , und deren Offenbarungen
gleichsam als wirkliche
Gott-Erscheinungen betrachtet
wurden,"]
Die berühmtesten dieser
Mysterien des Alterthums
waren die ägyptischen -und
in Griechenland die eleusi-
nischen.
[Hier noch einige lehrreiche
Stellen aus der oben
B. 17 S. 143, Sp. b, bei
Num. 4, angeführten Abhandlung
des Hofraths Meiners
! —
S. 195 f. „Die Griechen hatten
unter allen bekannten Völkern
die meisten Mysterien; weil sie
die meisten Menschen ähnlichen
Götter verehrten und für eine
Jede dieser Gottheiten die reichste
Mythologie erfunden hatten
, die zu einer Menge tragischer
Auftritte unerschöpflichen
Stoff enthielt. Fast allen griechischen
Göttern waren in irgend
einem Theile von Griechenland
Mysterien geheiligt;
und diese Mysterien kamen
darin miteinander üb er ein, dafs
in ihnen die Geschichte derjenigen
Gottheit, in deren Tempel
und zu deren Andenken sie
gefeiert wurden, gewöhnlich
von den Windeln bis zum Grabe
gespielt, besonders aber die
Leiden und traurigen Schicksale
auf die tragischste Art vorgestellt
wurden."
S. 197—201.Diese Mysterien
waren bei allen den Völkern, wo
sie gebräuchlich waren, ganz natürliche
Folgen ihrer Religion
.sowol, als der Einrichtung des
Priesterordens. Ihre Theologie
enthielt keine theoretischen
Lehrsätze von den Eigenschaften
und Vollkommenheiten der
Gottheit, sondern eine Sammlung
von Fabeln, in denen die
Thaten und Schicksale der Götter
erzählt wurden; und ihre
ganze Dogmatik war also historischen
Inhalts. — Auf der
andern Seite gaben die Priester
dieser Völker sich gar nicht damit
ab , die Verehrer einer je*-
den Gottheit mit ihrer historischen
Theologie durch schriftlichen
oder mündlichen Vortrag
bekannt zu machen ; sie
predigten und schrieben niemals
; und es blieb ihnen also
gar kein andres Mittel, das
Volk in der Geschichte" der Götter
zu unterrichten, übrig, als:
die in den Mysterien gewöhnliche
Methode einer historischen
Religion in Drama zu
verwandeln, und Das durch
theatralische Action auszudrücken
, was man weder mündlich
, noch schriftlich, lehrte
und lehren wollte» Diese Lehrart
, die bei einer jeden aus
theoretischen Lehrsätzen bestehenden
Religion ganz unanwendbar
gewesen wäre, hatte
bei den Religionen der alten
Völker über alle übrigen Lehrarten
unbestrittene Vorzüge,
Die Thaten und Schicksale eines
Gottes dramatisch vorgestellt
mufsten nothwendig die
Sinne stärker rühren, der bezauberten
Einbildungkraft sich
tiefer eindrücken und durch
die lebhaft erregte Täuschung
eine stärkere Überzeugung der
Wahrheit hervorbringen, als
wenn man sie in kalten Wortenoder
todtenBuchstaben vorgetragen
hätte. Eben diese
theatralische Action mufste ferner
, wenn sie die Geschichte
des Gottes dem sinnlichen Pö-
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