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544 MYSTERIEN.
MYSTERIEN
den, desto mehr-nahm die Zahl
der Mysterien und der Hang
zu den Mysterien zu, desto zu*
sammengesetzter und beschwerlicher
, oder peinlicher, wurden
entweder die Vorbereitungen
zu den Mysterien, oder
die Stufen, welche man zu ersteigen
hatte. Fast scheint es,
als wenn im ersten, zweiten
und dritten Jahrhundert all©
nur irgend bedeutende Gottheiten
, die dergleichen vorher
iiicht hatten , einen geheimen
Dienst erhielten, weil man
den geheimen für heiliger und
wirksamer*, als den öffentlichen
, achtete. Man glaubte
sich um desto glücklicher und
frömmer, in je mehre Mysterien
man eingeweiht worden
War, und je höhere Stufen
oder Würden man in den gelleimen
Gütterdiensten erstiegen
hatte. Man hielt die Einweihungen
und die Stufen der
Einweihung für etwas so Wichtiges
» dafs man sie auf Grab-
mählern und andern Denkmäh-
lern, als die gröfsten Auszeichnungen
der Verstorbenen, bemerkte
. Der Geist der Zeit,
der den geheimen Götterdiensten
so günstig war, ' drückt
sich nirgends deutlicher, als
in der von Apulejus erzählten
Fabel des Lucias7 aus."
S, 436 — 44°* >,Selbst diejenigen
Schriftsteller, die von
einer geheimen Zehre der Mysterien
, besonders von einer
mit der Volksreligion streitenden
Lehre, Nichts wissen wollen
, geben zu, dafs man in
den eleusinischen und anderen
älteren Mysterien die Einzuweihenden
nicht blofs in sogenannten
Symbolen, das keifst,
in Erkennungworten oder Formeln
, sondern auch in gewissen
Pflichten, unterrichtet habe
, insbesondre welche Speisen
, Kleidungstücke und Handlungen
die Einzuweihenden zu
meiden und welche sie hingegen
zu wählen hätten. Auel]
können diese Schriftsteller nicht
in Abrede seyn, dafs man in
den Mysterien heilige, den Pro-
. fanen unbekannte, Hymnen abgesungen
und dafs die Mysta-
gogen von den mystischen Schau-
spielen Erklärungen gegeben haben
." (S. des Professors Müller
*oben B. 1, S. 146, unter
Num. 12, angeführte Schrift,
p. 177 seq.!) „Bqrön de Sainte-
Croix und D'Ansse, de Villoi-
sonLi (s. in demS.i44> unter IN um.
8, erwähnten Werke, theils p.
2iß, 345, 360 und 366, theils
p. 244, 274, 277 und 530!)
,,läugnen, dafs man in den
eleusinischen und samothraci-
schen Mysterien den wahren
Gott verkündigt habe; zugleich
aber halten sie dafür, dafs die
Mysragogen die geheimen Geschichten
der Götter, die in
den Mysterien dramatisch vorgestellt
worden, nach der Weise
der Stoiker gedeutet, —
dafs sie daher die Göttergeschichten
in eine Art von Kos-
mogonie verwandelt und die
Götter selbst, sammt ihren
Thaten und Schicksalen, auf
die Natur, auf Kräfte und Veränderungen
der Natur, zurückgebracht
hätten."
„Soviel ich urtheileri kann,
lafst sich Keine dieser Behauptungen
vertheidigen. Wenn
man auch den übrigen Stellen
der Alten, die, auf eine geheime
Lehre der eleusinischen und
samothracischen Mysterien hinzuweisen
, scheinen, eine, andre
Deutung geben kann: so
ist Dieses doch bei mehren
nicht möglich. Auf der andern
Seite ist es nicht allein
nicht erweislich, sondern nicht
einmal gedenkbar, dafs alle
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