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MYSTICISMUS.
MYSTICISMUS. 559
stellt darin, dafs man, das dar*
in vergrabene Wahre hervorzuheben
und die Gründe zu
entdecken, sucht, warum dieses
in spicher (Gestalt erschien.
Hiexnäciist aber läfst sich die
Axt, wie der Mysticismus sich
ausspricht, nicht blofspoetisch,
sondern auch zur philosophischen
Darstellung, benutzen;
und seine Bilder geben dem
philosophischen Kopfe, der
zugleich poetischen Geist hat,
Gelegenheit zu mancherlei
fruchtbaren Cömbinationen."
Dann fuhr er S. 112 fort:
„Die Bemerkung, dafs Mysticismus
mit der wahren Religion
wohl bestehen könne,
dafs durch ihn sich oftmals
die wahre Religion ausspreche,
scheint, in den neuesten philosophischen
Schulen selbst die
Hauptwortführer verleitet zu
haben, das Wesen der Religion
im Mysticismus zu suchen, und
selbst die Philosophie der Religion
mit Mysticismus zu durchwehen
und mystisch zu behandeln
; wobei offenbar ganz verschiedene
Dinge miteinander
verwechselt werden und die
Philosophie so wenig, als die
Religion, gewinnen kann. In
einem gewissen Sinne zwar
könnte man allerdings sagen,
dafs es keine Religion ohne
Mysticismus gebe, dafs alle
wahre Religion Mysticismus
sey; wenn man nämlich den
Glauben an das Unbegreifliche
und, Vnerhennbare<) und die darauf
sich beziehenden Gefühleso
nennt."
2) Ferner wurde in einer
andern Beurtlieilung ebendaselbst
St. 89 v.OTv 1807, S.
1414 f., wahrscheinlich' von
ebendemselben Recensen-
ten, bemerkt:
*" „Man verwechselt zuweilen
das Mystische mit dem Thunder-*
baren* Das Wunderbare wirkt,
als die Macht einer fremden
unbekannten Welt, thätig und
reel auf die uns bekannten Erscheinungen
der Natur und des
Geistes; das Mystische ist nur
die subjective bestimmte Form,
der Anschauung einer fremden,
liöhern, dem Verstände nicht
zu begreifenden und dem un-
geweihten Sinne verborgenen
Welt. Dem mystischen Sinne
wird alles Erscheinende Symbol
des Ewigen > und diese
Mystik ist die natürliche Poesie
eines durchaus von Religion
durchdrungenen, lebendig regen
Gemütlies; allein, wie die
Religion durch das Einzwängen
in Begriffsformen, so wird
oft die Mystik durch Beschränken
auf gemeine Formen der
Symbole herrisch und ihren eigenen
Güst zerstörend. Das
Bild, welches als Symbol heilig
war, mafst sich absolute
Heiligkeit und ausschliefsliche
Selbständigkeit an; und so entstellt
eine jpseudomystik" (falsche
Mystik), „welche leider
so allgemein ist, dafs sie allein
den Namen; Mystik, usurpirt'*
(sich anmafst).
3) In den „Briefen zu
Beförderung der Humanität
" , Sammlung 7 , (Riga,
1796,) S.38 —42, äufserte
Herder über diesen Gegenstand
;
„Im Mittelalter ward jene
mystische Empfindung^ - Theologie
aitsgesponnen, die, ihrer
stillen Gestalt ungeachtet, viel-
leicht die' wirk samste Tlxeolo-
*gie in der Welt gewesen ist.
im Christentliurae schlang sie
sich dem j fingern Platonismus
an* der ihr' viele Zweige der
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